Redebeitrag zur Geschichte der Firma Topf & Söhne (11.12.2005)

Seit einigen Wochen ist das Topf & Söhne Gelände in Erfurt verstärkt in der Öffentlichkeit präsent. Es gibt eine Ausstellung im Erfurter Stadtmuseum, Zeitungen schreiben darüber, ein Verkauf des Geländes steht bevor und die Einrichtung eines Geschichtsorts wird geplant. Doch was ist das besondere an dieser verfallenen Industriebrache?
Topf & Söhne entwarf und installierte die Öfen für die Krematorien von Konzentrations- und Vernichtungslageren wie Buchenwald und Auschwitz. Damit trug die Firma ganz maßgeblich dazu bei, dass das industriell organisierte Vernichten von Menschen im Nationalsozialismus überhaupt möglich wurde. Doch beginnen wir diese Geschichte am Anfang:
1878 von Johann Andreas Topf gegründet, entwickelt sich die Firma schnell zu einem großen Industrieunternehmen, welches hauptsächlich mit dem Entwurf und der Herstellung von Dampfkessel-Anlagen, der Einrichtung kompletter Mälzereien und dem Schornstein und Speicherbau beschäftigt war. Später kam auch eine relativ kleine Abteilung für zivilen Krematorienbau hinzu.
Topf & Söhne war ein sehr modernes Unternehmen mit einem Umfeld, dass sich für Innovationen und neue Entwicklungen offen zeigte. So entwickelte sich die Firma bald auch im Bereich des Krematorienbaus zum Branchenführer, auch wenn hier die Betonung eher auf Begriffen wie Hygiene und Pietät, als auf technischer Innovation lag. Dies sollte sich jedoch mit der Annahme erster Aufträge der SS zu Beginn des 2. Weltkriegs ändern.
Ausgangspunkt der Verbindungen zur SS war die Bereitstellung mobiler Verbrennungsöfen für das Konzentrationslager in Buchenwald. Aus diesen Aufträgen ergaben sich der Bau von stationären Krematoriumsöfen in KZs wie Buchenwald und Dachau. Schlußendlich errichtete die Firma sämtliche Öfen für die Vernichtungsanlagen in Auschwitz und installierte dort ebenfalls Be- und Entlüftungsanlagen für die Gaskammern.
Dabei war die Zusammenarbeit mit der SS eben kein von Zwang geprägtes Verhältnis, sondern wirklich eine Zusammenarbeit - die Firma feilschte mit der SS um Zahlungen und konkurrierte mit anderen Firmen um die Aufträge. Die verantwortlichen Ingenieure bemühten sich, die Öfen für die Vernichtungsanlagen möglichst "effizient" zu gestalten. Dieser zynische Begriff von Effizienz bezog sich in diesem Falle jedoch darauf möglichst viele Leichen in möglichst kurzer Zeit zu Asche zu verwandeln. Daß diese Leichen überhaupt entstanden wurde dabei billigend in Kauf genommen.
Jedoch nicht nur die zuständigen Ingenieure und die Monteure die die Öfen vor Ort installierten, wussten wofür ihre Produkte genutzt wurden. Die Aufträge der SS wurden innerhalb der Firma ohne besondere Geheimhaltung behandelt. Die Geschäftsleitung war an der Abwicklung der Aufträge ebenso beteiligt wie die Buchhaltung und die Versandabteilung. Die Beteiligten - Ingenieure und Monteure, ebenso wie die Geschäftsleitung waren keine glühenden Nationalsozialisten Antisemiten, aber eben auch nicht nur einfache Mitläufer. Sie waren bereit ihre Moralvorstellungen von Pietät und Hygiene im Krematorienbau auf bestimmte Bevölkerungsgruppen nicht länger anzuwenden - Juden und JüdInnen, Sinti und Roma und andere. Dabei legten sie eine erschreckende Eigeninitiative an den Tag und stehen damit beispielhaft für das Verhalten der überwiegenden Mehrheit der Deutschen in dieser Zeit - ohne die Beteiligung und die Unterstützung, ohne das Mitwissen und stillschweigende Tolerieren wäre ein industrieller Massenmord wie der Holocaust nicht möglich gewesen. Das Handeln der Täter und Mitwisser in der NS-Zeit wurde durchaus von Denkformen angetrieben, die auch in der heutigen Zeit noch weit verbreitet sind: Antisemitismus, Rassismus und Nationalismus gehören keineswegs der "dunklen Vergangenheit" an, ganz zu schweigen von der Bereitschaft eines Großteils der Bevölkerung sich autoritären Strukturen zu unterwerfen. Effizientes Arbeiten, ohne nach dem Warum und Wofür zu fragen ist auch im heutigen Kapitalismus noch eine Voraussetzung um Geld zu verdienen und damit die eigenen Bedürfnisse erfüllen zu können.
Deshalb gilt es den Denkformen entgegenzutreten, die auch heute noch eine tägliche Gefahr für bestimmte Bevölkerungsgruppen darstellen.

Für einen Geschichtsort Topf & Söhne!



Die BesetzerInnen des ehemaligen Topf & Söhne Geländes