Redebeitrag auf der Student_innendemo am 13.2.2006 in Erfurt

Die Besetzer_innen des ehemaligen Topf & Söhne Geländes in Erfurt unterstützen den Protest der Sudierenden gegen den aktuellen Entwurf des neuen Thüringer Hochschulgesetzes. Die weitere Einschränkung von Mitsprachemöglichkeiten der Betroffenen durch diesen Entwurf empfinden wir ebenso wie die geplante Erhöhung der Studienkosten durch die Einführung von "Verwaltungsgebühren" als nicht hinnehmbar.

Im Rahmen dieser Demonstration möchten wir uns aber auch mit einem anderen aktuellen Thema an euch wenden:
Wie ihr eventuell schon erfahren habt, gerät das ehemalige Topf & Söhne Gelände in Erfurt wieder in den Fokus der Öffentlichkeit. Die Erfurter Firma Topf & Söhne erlangte traurige Berühmtheit, da sie in der Zeit des Nationalsozialismus Öfen für die Krematorien in Konzentrations - und Vernichtungslagern wie Buchenwald und Auschwitz herstellte. Seit längerer Zeit existiert die Forderung, auf dem ehemaligen Gelände der Firma einen Geschichtsort einzurichten. Dies war auch eine Forderung der Gruppe, die einen Teil des Geländes im April 2001 besetzte, um Räumlichkeiten für ein politisch-sozial-kulturelles Projekt nutzen zu können. Die Stadt Erfurt bemühte sich lange Zeit, die historische Bedeutung des Geländes herunterzuspielen oder ganz und gar zu leugnen und interessierte sich stattdessen nur dafür, die Industriebrache möglichst nicht länger leerstehen zu lassen. Diese Position änderte sich erst im Vorjahr im Zusammenhang mit der öffentlichen Diskussion um die Ausstellung "Techniker der Endlösung". Die Diskussion um die weitere Nutzung des Geländes scheint nun an einem Wendepunkt angekommen. Nach langjährigen Bemühungen kommerzielle Interessen und historische Verantwortung zu vereinbaren, steht ein Verkauf des Geländes unmittelbar bevor. Für uns als Besetzer_innen des Geländes bedeutet dies einen tiefgreifenden Umbruch. Die bisherigen Jahre der Besetzung waren von einem wohlwollenden Desinteresse von Seiten des Notverwalters gegenüber der Besetzung geprägt.

Auf dieser Grundlage konnten sich auf der ehemaligen Industriebrache verschiedene Projekte und Initiativen verwirklichen. Erwähnt seien dabei beispielsweise die Präsentation der Ausstellung "Deportation nach Belzyce" der Geschichtswerkstatt Weimar/Apolda e.V., politische Bildungs - und Diskussionsveranstaltungen seit einiger Zeit im neu eingerichteten Lesecafe, die Bereitstellung von Bandproberäumen und Wohnraum und die regelmäßige Durchführung von gut besuchten Konzerten und Parties. Ein wichtiger Teil des Konzepts der Besetzung besteht in der Beschäftigung mit Gesellschaftskritik. In dieses Themenfeld fällt auch die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Geländes, die zu Projekten, wie dem virtuellen und realen Rundgang über das Topf & Söhne Gelände, einer Dauerausstellung und regelmäßigen Veranstaltungen zum Thema Geschichtspolitik führte. Die Erkenntnisse aus der Auseinandersetzung mit der Geschichte in die aktuelle Gesellschaftskritik zu integrieren ist dabei eines der zentralen Anliegen.

Die Forderung des "Förderkreises Geschichtsort Topf & Söhne" nach der Eröffnung eines authentischen Geschichtsortes auf dem ehemaligen Topf & Söhne Gelände ist auch seit jeher eine Forderung der Besetzer_innen. Dies ist auch der einzige sich positiv abzeichnende Aspekt des anstehenden Verkaufs des Geländes aus Sicht der Besetzer_innen. Im ehemaligen Verwaltungsgebäude soll ein Teil des Hauses für die Ausstellung "Techniker der Endlösung" und für die pädagogische Arbeit bereitgestellt werden. Wir bezweifeln, dass die Stadt Erfurt mit der Anmietung eines Teils des Verwaltungsgebäudes dem historischen Anspruch gerecht werden kann.

Scheinbar herrschen auch in der Stadt Erfurt noch Unklarheiten und Verwirrung über den geplanten Verkauf und den zukünftigen Umgang mit dem Gelände vor. In den Verlauf der Verkaufsverhandlungen ist bisher nur ein kleiner Personenkreis eingeweiht, deshalb wissen wir und auch andere interessierte Personen nicht, wer das Gelände kaufen möchte und nichts über dessen geplante Nutzung. Diese Ungewissheit ist Anlass zu großer Sorge über die Zukunft dieses Projekts.

Wir bitten euch daher unsere Forderung nach dem Erhalt des Hausprojekts und nach der Umsetzung eines angemessenen Geschichtsortes auf dem ehemaligen Topf & Söhne - Gelände zu unterstützen.


Die Besetzer_innen eines Teils des ehemaligen Topf & Söhne Geländes