Antideutsche Kritik

WWW = 666




Wie zu erwarten, war nichts zu erwarten von den Demonstrant(inn)en in Genua. Doch auch die hegemoniale - deutschsprachige - Berichterstattung mit ihrer grundsätzlichen Zustimmung zu den Protesten - abgesehen von den Riots - läßt's Gruseln. Während die carlo (!) den bürgerlichen Medien vorwirft, sich nur mit Gewalt zu beschäftigen, fällt der carlo auch nichts anderes ein. Der Bericht über Genua lässt jede kritische Distanz zum Querfrontbündnis aus Antikapitalist(inn)en, sozialen Reformer(inne)n und Nationalist(inn)en vermissen. Während mit Kritik an der Bewegung gespart wird, werden dem italienischen Staatsapparat unhaltbare Vorwürfe gemacht - von einer Quasi-Hinrichtung ist gar die Rede. Auch wenn die Folter der Bullen eine(n) in die Solidarität mit der Bewegung treibt, führt jedes bestätigende Verhältnis zu ihr weg von der Möglichkeit des radikalen Bruchs mit den Verhältnissen. Voll Dankbarkeit verneige ich deshalb mein Haupt vor dem Black Bloc, dem es gelang eine Übernahme der Bewegung durch den kleinen Mann zu verhindern, ob er nun wollte oder nicht. Zwar hatten die meisten Protagonist(inn)en es auch nicht so genau mit der Kritik, führten sie aber doch Kapital & Nation im Munde und erreichten qua Riot das Entsetzen der bürgerlichen Öffentlichkeit. Dem Phantom Black Bloc sei die Kritik am Antisemitismus in / um Genua gewidmet.

The Good

Voi (G)8, Noi 6.000.000.000 eine der zentralen Parolen des Protestes, sagt bereits viel über die strukturell antisemitische [1] Verfassung der Anti-Globalisierungs-Bewegung. Böse sind die 8 Männer, ihnen stehen alle (!) Menschen entgegen. Es gibt keine Klassen mehr, keine Faschist(inn)en, keine Riot-Cops, kein Mitmachen. Wir gegen Die. Woher diese 8 ihre halluzinierte Macht haben sollen, wieso sie die gesamte Menschheit unterdrücken können und wieso Kapitalismus schon ohne G8 lief, wurde nie erklärt. Überhaupt wurde wenig erklärt in diesen Tagen in Genua. Da wundert es auch nicht, dass gehobene Fressbuden - mittelständige Unternehmen - solcherart Plakate bereitwillig aufhängten.
Dass die Völker der positive Gegenentwurf zu denen, da oben darstellen, wundert da kaum noch. Nicht nur, dass Fahnen diverser Völker und Nationen hin und her getragen wurden, ebenso wurde das geeinigte Volk (pueblo unidd) beschworen, dass niemals besiegt werden würde.
Steht die Frage nach der Verfassung des Volkes: völkisch oder national. Doch nicht einmal die Erhaltung des Status Quo - also Nationalstaaten, die zuweilen Vielvölkerstaaten seien können - wurde angestrebt sondern die völkische Zerlegung derselben, die Abspaltung Sardiniens und Korsikas etwa. Die deutsche Bundesregierung hätte ihre Freude an der Bereitschaft so vieler Menschen sich dem deutschen Imperialismus auszuliefern[2]. Wo da die Perspektive von Befreiung bleiben soll, war nicht zu klären.
Daraus folgt - beinahe logisch - die Unterstützung der palästinensischen Intifada. Palästinafahnen ja, Israel Fahnen nein. Wieso den einen ein Staat zusteht und den anderen nicht, wurde explizit nie erwähnt. Ich vermute aber schlimmes. Wenn sich dann einige prominente Protestierer(innen) als Intifada in Genua abfeiern, bin ich froh, dass (noch) keine Synagogen angezündet wurden.
Das Potenzial war durchaus vorhanden. Eine kleine Gmppe etwa trug ein Transparent mit der Aufschrift: Don't globalize, WWW=666, G8=Demons. Daneben waren Davidsterne abgebildet. Nach der Intervention einiger Antifas wurden immerhin die Davidsteme entfernt. Dass 666 - ein Code für das absolut Böse - mit den Juden gleichzusetzen wäre, erklärte
der Träger aber jeder/m, der/die es hören wollte. Ein antifaschistischer Entfernungsversuch wurde nicht gerade mit Beifall aufgenommen. Erklärungsversuche a la vielleicht schreibt er das ja, wegen der Situation in Palästina waren da schon eher präsent. Die Juden sind selber Schuld am Antisemitismus und an Auschwitz sowieso. Es war halt nichts zu erwarten, von denen, die da demonstrieren.

The Bad

Die aufgeblasnen Marionetten / vermögen nicht die Welt zu retten. / Doch können's auch nicht die Chaoten, / die gegen jene aufgeboten. / Die Mächtigen, die sich nicht zeigen, / von denen Freund und Gegner schweigen, /ficht das Theater wenig an, / weil keiner sie belangen kann. / Was allen anderen schadet, ihnen / vermag's zum Besten stets zu dienen. Diese Zeilen reimte Wolf Martin in der Kronen-Zeitung [3]. Wer diese anonymen Mächte sind, braucht er seinen Leser(inne)n gar nicht mehr mitzuteilen, der Code ist klar: sie sind entwurzelt/ungreifbar, Herrscher der Welt, die Feinde aller Menschen und abgrundtief böse, Juden eben. Bei so viel Auschwitzträumerei [4] verwundert auch die generelle Zustimmung zu den Protesten wenig. Unter der Überschrift Einfach schlechte Politik beklagt die Kronen-Zeitung, dass Lobbyismus ein politisches Instrument geworden sei, das die USA ganz legal mitregiere. Dass dieser Lobbyismus Verrat an der nationalen Sache sein muß, weiß auch die Kronen-Zeitung: Ist das nicht Verrat an Österreich, ausgelöst durch Lobbys? fragt sie rhetorisch. Dagegen zu demonstrieren, sei eine feine Sache, meint die Kronen-Zeitung. Auch dagegen, dass auf dem Balkan nichts mehr vom Selbstbestimmungsrecht der Völker zu hören ist. Schon in der Ausgabe zuvor schrieb die Kronen-Zeitung: Sie (die G8, Anm.) sollen die Probleme der Welt lösen, dabei sind sie selber das Problem. Ohne im selben Kommentar zu vergessen noch einmal auf die babymordenden Juden zu verweisen. Aber auch die Welt [5]meint es seien ernst zu nehmende Grundängste, die die allermeisten Demonstranten nach Genua trieben. Auch Angela Merke! (CDU) zeigte Verständnis für die Ängste, die sich aus der Globalisierung speisen. Zwischen der ach so linken und antikapitalistischen Bewegung und dem völkischen Mob bzw. dessen bürgerlichen Ausdruck sind die Differenzen verschwindend gering. Bei so viel Konsens ist mir der harte Kern gewalttätiger Chaoten und Anarchisten doch lieber, der nur nach Genua kam, um zu zerstören.

Kritik ist unsere Aufgabe
The Ugly (KPFiHW) | August 2001


[1] Bezeichnet Weltbilder deren Strukturen, denen des Antisemitismus gleichen, etwa in der binären Weltsicht (strikte Trennung von Gut und Böse), Verschwörungstheorien, dem positive Bezug auf Nation und Volk, der bürgerlichen Kritik der bürgerlichen Gesellschaft
[2] Die völkische Zerlegung anderer Nationalstaaten ist beliebte deutsche Außenpolitik seit Hitler. Selbst völkisch konstruiert kann der deutsche Ratz an der Sonne nur durch Schwächung anderer Europäischer Nationen erreicht werden. Würde die komplette Europäische Union zum Europa der Regionen bzw. zum Europa freier Völker zerlegt werden, würde davon nur die BRD profitieren. Ihr ständen weitere (polnische, tschechische) Gebiete zu, alle anderen Nationalstaaten würden zerlegt werden (Baskenland, Nordirland, Sardinien, Korsika). Mittels eines europäischen Stimmrechtes qua Bevölkerungsanteil wäre die deutsche Hegemonie auf Dauer gesichert. Aber auch die Zerlegung Jugoslawiens wurde nach diesem Muster forciert.
[3] Vom 22.07.2001, Die Kronenzeitung ist das in Österreich, was bei uns die Bild ist. Nur das die Kronenzeitung noch weiter verbreitet ist.
[4] die ja über das Protestpotential noch hinausgehen, schließlich projezieren die Globalisierungsgegner(innen) noch auf Menschen denen ein gewisser Einfluß nicht abgesprochen werden kann
[5] Vom 23.07.2001