Wie zu erwarten, war nichts zu erwarten von den
Demonstrant(inn)en in Genua. Doch auch die hegemoniale -
deutschsprachige - Berichterstattung mit ihrer grundsätzlichen
Zustimmung zu den Protesten - abgesehen von den Riots -
läßt's Gruseln. Während die carlo (!) den
bürgerlichen Medien vorwirft, sich nur mit Gewalt zu
beschäftigen, fällt der carlo auch nichts anderes ein.
Der Bericht über Genua lässt jede kritische Distanz zum
Querfrontbündnis aus Antikapitalist(inn)en, sozialen
Reformer(inne)n und Nationalist(inn)en vermissen. Während mit
Kritik an der Bewegung gespart wird, werden dem italienischen
Staatsapparat unhaltbare Vorwürfe gemacht - von einer
Quasi-Hinrichtung ist gar die Rede. Auch wenn die Folter der
Bullen eine(n) in die Solidarität mit der Bewegung treibt,
führt jedes bestätigende Verhältnis zu ihr weg von
der Möglichkeit des radikalen Bruchs mit den
Verhältnissen. Voll Dankbarkeit verneige ich deshalb mein
Haupt vor dem Black Bloc, dem es gelang eine Übernahme
der Bewegung durch den kleinen Mann zu verhindern, ob er nun
wollte oder nicht. Zwar hatten die meisten Protagonist(inn)en es
auch nicht so genau mit der Kritik, führten sie aber doch
Kapital & Nation im Munde und erreichten qua Riot das Entsetzen
der bürgerlichen Öffentlichkeit. Dem Phantom Black
Bloc sei die Kritik am Antisemitismus in / um Genua
gewidmet.
The Good
Voi (G)8, Noi 6.000.000.000 eine der zentralen
Parolen des Protestes, sagt bereits viel über die strukturell
antisemitische [1] Verfassung der Anti-Globalisierungs-Bewegung.
Böse sind die 8 Männer, ihnen stehen alle (!) Menschen
entgegen. Es gibt keine Klassen mehr, keine Faschist(inn)en, keine
Riot-Cops, kein Mitmachen. Wir gegen Die. Woher diese 8 ihre
halluzinierte Macht haben sollen, wieso sie die gesamte Menschheit
unterdrücken können und wieso Kapitalismus schon ohne G8
lief, wurde nie erklärt. Überhaupt wurde wenig
erklärt in diesen Tagen in Genua. Da wundert es auch nicht,
dass gehobene Fressbuden - mittelständige Unternehmen -
solcherart Plakate bereitwillig aufhängten.
Dass die Völker der positive Gegenentwurf
zu denen, da oben darstellen, wundert da kaum noch. Nicht nur, dass
Fahnen diverser Völker und Nationen hin und her getragen
wurden, ebenso wurde das geeinigte Volk (pueblo unidd)
beschworen, dass niemals besiegt werden würde.
Steht die Frage nach der Verfassung des Volkes:
völkisch oder national. Doch nicht einmal die Erhaltung des
Status Quo - also Nationalstaaten, die zuweilen
Vielvölkerstaaten seien können - wurde angestrebt sondern
die völkische Zerlegung derselben, die Abspaltung Sardiniens
und Korsikas etwa. Die deutsche Bundesregierung hätte ihre
Freude an der Bereitschaft so vieler Menschen sich dem deutschen
Imperialismus auszuliefern[2]. Wo da die Perspektive von Befreiung
bleiben soll, war nicht zu klären.
Daraus folgt - beinahe logisch - die
Unterstützung der palästinensischen Intifada.
Palästinafahnen ja, Israel Fahnen nein. Wieso den einen ein
Staat zusteht und den anderen nicht, wurde explizit nie
erwähnt. Ich vermute aber schlimmes. Wenn sich dann einige
prominente Protestierer(innen) als Intifada in Genua
abfeiern, bin ich froh, dass (noch) keine Synagogen angezündet
wurden.
Das Potenzial war durchaus vorhanden. Eine kleine
Gmppe etwa trug ein Transparent mit der Aufschrift: Don't
globalize, WWW=666, G8=Demons. Daneben waren Davidsterne
abgebildet. Nach der Intervention einiger Antifas wurden immerhin
die Davidsteme entfernt. Dass 666 - ein Code für das absolut
Böse - mit den Juden gleichzusetzen wäre,
erklärte
der Träger aber jeder/m, der/die es hören
wollte. Ein antifaschistischer Entfernungsversuch wurde nicht
gerade mit Beifall aufgenommen. Erklärungsversuche a la
vielleicht schreibt er das ja, wegen der Situation in
Palästina waren da schon eher präsent. Die Juden sind
selber Schuld am Antisemitismus und an Auschwitz sowieso. Es war
halt nichts zu erwarten, von denen, die da demonstrieren.
The Bad
Die aufgeblasnen Marionetten / vermögen nicht
die Welt zu retten. / Doch können's auch nicht die Chaoten, /
die gegen jene aufgeboten. / Die Mächtigen, die sich nicht
zeigen, / von denen Freund und Gegner schweigen, /ficht das Theater
wenig an, / weil keiner sie belangen kann. / Was allen anderen
schadet, ihnen / vermag's zum Besten stets zu dienen. Diese
Zeilen reimte Wolf Martin in der Kronen-Zeitung [3]. Wer diese
anonymen Mächte sind, braucht er seinen Leser(inne)n gar nicht
mehr mitzuteilen, der Code ist klar: sie sind
entwurzelt/ungreifbar, Herrscher der Welt, die Feinde aller
Menschen und abgrundtief böse, Juden eben. Bei so viel
Auschwitzträumerei [4] verwundert auch die generelle
Zustimmung zu den Protesten wenig. Unter der Überschrift
Einfach schlechte Politik beklagt die Kronen-Zeitung, dass
Lobbyismus ein politisches Instrument geworden sei,
das die USA ganz legal mitregiere. Dass dieser Lobbyismus
Verrat an der nationalen Sache sein muß, weiß auch die
Kronen-Zeitung: Ist das nicht Verrat an Österreich,
ausgelöst durch Lobbys? fragt sie rhetorisch. Dagegen zu
demonstrieren, sei eine feine Sache, meint die Kronen-Zeitung. Auch
dagegen, dass auf dem Balkan nichts mehr vom
Selbstbestimmungsrecht der Völker zu hören ist.
Schon in der Ausgabe zuvor schrieb die Kronen-Zeitung: Sie
(die G8, Anm.) sollen die Probleme der Welt lösen, dabei
sind sie selber das Problem. Ohne im selben Kommentar zu
vergessen noch einmal auf die babymordenden Juden zu verweisen.
Aber auch die Welt [5]meint es seien ernst zu nehmende
Grundängste, die die allermeisten Demonstranten nach Genua
trieben. Auch Angela Merke! (CDU) zeigte Verständnis für
die Ängste, die sich aus der Globalisierung speisen.
Zwischen der ach so linken und antikapitalistischen Bewegung und
dem völkischen Mob bzw. dessen bürgerlichen Ausdruck sind
die Differenzen verschwindend gering. Bei so viel Konsens ist mir
der harte Kern gewalttätiger Chaoten und Anarchisten
doch lieber, der nur nach Genua kam, um zu
zerstören.
Kritik ist unsere Aufgabe
The Ugly (KPFiHW) | August 2001
[1] Bezeichnet Weltbilder deren Strukturen, denen des
Antisemitismus gleichen, etwa in der binären Weltsicht
(strikte Trennung von Gut und Böse),
Verschwörungstheorien, dem positive Bezug auf Nation und Volk,
der bürgerlichen Kritik der bürgerlichen Gesellschaft
[2] Die völkische Zerlegung anderer
Nationalstaaten ist beliebte deutsche Außenpolitik seit
Hitler. Selbst völkisch konstruiert kann der deutsche Ratz an
der Sonne nur durch Schwächung anderer Europäischer
Nationen erreicht werden. Würde die komplette Europäische
Union zum Europa der Regionen bzw. zum Europa freier Völker
zerlegt werden, würde davon nur die BRD profitieren. Ihr
ständen weitere (polnische, tschechische) Gebiete zu, alle
anderen Nationalstaaten würden zerlegt werden (Baskenland,
Nordirland, Sardinien, Korsika). Mittels eines europäischen
Stimmrechtes qua Bevölkerungsanteil wäre die deutsche
Hegemonie auf Dauer gesichert. Aber auch die Zerlegung Jugoslawiens
wurde nach diesem Muster forciert.
[3] Vom 22.07.2001, Die Kronenzeitung ist das in
Österreich, was bei uns die Bild ist. Nur das die
Kronenzeitung noch weiter verbreitet ist.
[4] die ja über das Protestpotential noch
hinausgehen, schließlich projezieren die
Globalisierungsgegner(innen) noch auf Menschen denen ein gewisser
Einfluß nicht abgesprochen werden kann
[5] Vom 23.07.2001