Antideutsche Kritik

Solidarität mit Israel



Gegen linke Deutsche, für eine antideutsche Linke




Eine neue Volksbewegung[1] ist entstanden in Deutschland. Tausende Deutsche gehen auf die Straße, um gegen die Vereinigten Staaten von Amerika und deren Vorposten im Nahen Osten Israel zu protestieren. Was ist passiert. Militante Antisemiten haben ca. 6.000 Menschen und sich selbst umgebracht, getrieben durch den Wahn Juden/Jüdinnen und Amerikaner(innen) zu töten. Während die linke Szene in NYC diskutierte, wie durch Demosanis den Überlebenden zu helfen sei, hatte die deutsche Linke Mühe, ihre Freude zu unterdrücken[2]. Endlich waren die verhassten Amerikaner(innen) getroffen worden. Schade nur, dass sich auch die Nazis vor Freude überschlugen. Die klammheimliche Freude blieb nicht lange klammheimlich. Sie artikulierte sich bald rational: Als Warnung vor einem Vergeltungsschlag und als Frage nach den sozialen Ursachen der Anschläge. Über eine Mobilisierung gegen die US-Aggression wurde bereits nachgedacht, da standen die Türme des World Trade Center noch. Wie es sich für eine Linke mit dem oberstem Dogma Vermittelbarkeit gehört, war sie in dieser Mobilisierung nicht vom deutschen Mob zu unterscheiden. Die erste öffentliche Trauerbekundung aus dem Volk fiel auch dementsprechend aus: No World War 3! Statt sich nach dem Bombardement New Yorks und Washingtons, statt sich nach den folgenden jubelnden Palästinenser(inne)n [3]eingehend mit Antisemitismus zu beschäftigen und sich im Resultat eindeutig mit den direkt und indirekt Angegriffenen zu solidarisieren, ließ die Linke alle antinationalen und antideutschen Hemmnisse der letzten Jahre fallen. Sie reihte sich bedingungslos in die deutsche Volksfront ein, versuchte gar, sich an deren Spitze zu stellen.

Vorarbeit dafür war geleistet. Bereits in den achtziger Jahren kämpften Autonome, Sozialist(inn)en und Antiimps gegen das zionistische Gebilde Israel und die dekadenten USA. Bereits damals wurde auf antisemitische Bilder zurückgegriffen, Blut & Boden Mystik beschworen, Israel mit dem Nationalsozialismus gleichgesetzt und die Juden/Jüdinnen zum Unvolk schlechthin erklärt. Daran ließ sich im September 2001 anknüpfen. Auf austria.indymedia.org wurde bereits am 9.September eine Liste vermeintlicher Juden/Jüdinnen in der US- Regierung veröffentlicht, linkeseite.de veröffentlichte nach dem Attentat in den USA aus aktuellem Anlass einen Text des Szenelieblings Mumia Abu-Jamal, der Israel mit dem Deutschland der 30iger Jahre gleichsetzte und auf allerlei Anti-Kriegs- Kundgebungen wird an das Bombeninferno gegen Deutschland 1945 erinnert und so das Ende der Judenvernichtung beweint.

Die Linke in Deutschland ist endgültig zur Gegenseite übergelaufen. Es macht sie nicht einmal mehr stutzig, dass des Mobs Zentralorgan Bild-Zeitung jede Mobilmachung gegen Araber(innen) und Moslems vermissen lässt[4]. Im Gegenteil erkennt doch die Bild, dass es weder gute Völker noch böse gibt und dass die meisten Moslems gegen den Terrorismus sind. Es schreckt die linken Friedensaktivist(inn)en auch nicht auf, dass die Flugblätter der Friedensbewegung teilweise gar nicht mehr von denen der NS-Kameradschaften zu unterscheiden sind. Sie fragen nicht, warum Fischer voll Begeisterung Jugoslawien bombardierte und jetzt zur Besonnenheit aufruft. Wieso Scharping vor zwei Jahren ständig neue Greuelmärchen erfand und Horrorbilder serbischer Verbrechen hervorzauberte, nun aber keine Pressekonferenzen mit entfernt Ähnlichem für Afghanistan veranstaltet. Statt zu fragen, schleppen sie immer noch Der Islam ist nicht der Feind Schilder mit sich herum und könnten dabei den Volksfeind Georg Bush wörtlich zitieren[5]. Solange es nur gegen die USA geht, ist ihnen jeder Blödsinn Recht. Und die Selbstmordattentäter? Sie haben den Leitspruch der spanischen Faschisten Viva la muerte exzellent inszeniert. Sie bieten nicht den Hauch der Möglichkeit einer Identifikation - zumindest nicht für Linke mit emanzipatorischer Stoßrichtung. Sie haben mit dem Ziel gehandelt, Amerikaner(innen) und Juden/Jüdinnen zu töten. Ihr Handeln versuchte den Wunsch nach individuellem Glück zu negieren. Ihr Handeln sprach den Subjekten die Hoffnung ab - auf ein Leben ohne Charaktermaske, ohne zwingende Kollektividentität. Ihr Handeln versuchte die soziale Revolution ihrer Voraussetzung zu berauben. Ihr Handeln verspottete jedes Streben nach Emanzipation. Denn erst das nicht erfüllbare Glücksversprechen der bürgerlichen Gesellschaft lässt den Wunsch nach kommunistischer Revolution aufkeimen. Der Hass auf subjektives Glück und Individualität, wie er für völkische Kollektive kennzeichnend ist, dieser Hass richtet sich nicht nur gegen die bürgerliche Gesellschaft. Er richtet sich auch gegen die befreite.

Die bürgerliche Gesellschaft erschafft immer wieder aus sich heraus Ich-schwache Charaktere. Charaktere, die ihre Erfüllung im Kollektiv finden, das jede Differenz und Individualität ausmerzt. Die bürgerliche Gesellschaft frisst ihre geistigen Kinder. Nicht trotz alledem, sondern gerade deswegen gilt es diese bürgerliche Gesellschaft mit ihrem Glücksversprechen gegen den völkischen Vernichtungswahn zu verteidigen. Es sei denn, wir haben bereits jede Hoffnung auf Umwälzung begraben. Um eben diese Hoffnung ist es tagtäglich schlechter bestellt. Unsere leise Hoffnung der ersten Tage nach dem 11.September auf eine konsequente Reaktion der USA gegen Afghanistan und seine klerikal-faschistische Regierung, die Taliban, ist bitter enttäuscht worden. Die erhoffte affektive Reaktion der USA auf den Anschlag, d.h. die Unterstützung Israels und die Verdammung der islamischen Sympathieträger des Terrors hat sich in ihr glattes Gegenteil verkehrt. Bislang hatten die USA aus den notwendig falschen Gründen, nämlich imperialistischen, das richtige getan, nämlich auf der Seite Israels gestanden. Dies hat sich grundlegend geändert. Ein Anti-Terror-Bündnis ist in der Entstehung begriffen, in dem sich nun nicht mehr die betroffenen bürgerlichen Demokratien, d.h. vor allem die USA und Israel gegen ihre antisemitischen Feinde organisieren. Ein Anti-Terror-Bündnis ist in der Entstehung begriffen, dass mit den völkischen Horden des Nahen Ostens gemeinsame Sache macht. Mit den einen Terroristen gegen ein paar andere Terroristen.
Doch dem nicht genug. Die Entwicklung steuert auf den politisch schlimmstmöglichen Fall zu: Während die Palästinenser(innen) in den Reihen der Anti-Terror-Koalition willkommen sind, während antiisraelische Staaten wie Syrien und Iran umworben werden, wird Israel ausgeschlossen aus Rücksicht auf die arabischen Staaten. Selbst die USA drängen jetzt auf Frieden im Nahen Osten. So stimmte Premierminister Ariel Sharon nun doch auf Druck der USA dem Treffen zwischen dem israelischen Außenminister Peres und Arafat zu, obwohl die Bedingung einer 48- stündigen Waffenruhe von palästinensischer Seite nicht eingehalten wurde. Der letzte Garant für die Sicherheit Israels zieht seine schützende Hand zurück: die USA. Unter diesem Umstand steht zu befürchten, dass Israel den Antisemiten in Deutschland und Europa sowie den Antisemiten der arabischen Welt ausgeliefert wird. Ein realistisches Szenario: Das nächste Interventionsfeld der NATO werden nicht die islamistischen Volksgemeinschaften sein, sondern Israel.

Nichts deutet aktuell darauf hin, dass sich die Widersprüche des Kapitalismus hin zu einer kommunistischen Gesellschaft auflösen. Vieles deutet darauf hin, dass das Prinzip der Volksgemeinschaft, das Prinzip des Terrors Gleicher unter Gleichen, dass das deutsche Prinzip die Zukunft der Menschheit bestimmen wird. Der 11. September hat die Menschheit an den unausweichlichen Scheideweg der Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft geführt. Die Kritik des Kapitals ist daher nicht mehr legitim, so sie nicht seine barbarische Selbstaufhebung in Form der Volksgemeinschaft zum Mittelpunkt der Analyse macht. Ebenso ist keine Staatskritik mehr legitim, die sich nicht bedingungslos mit dem israelischen Staat solidarisch erklärt und die antisemitischen Kollektive, die im Islamismus derzeit ihre größte aktive Massenbasis finden, zum Zentrum der Kritik erhebt. Eine linke Positionierung muss diese beiden absoluten Mindestbedingungen erfüllen. Sie ist andernfalls vom faschistischen Vorhaben nicht mehr unterscheidbar.

Eine Linke, die sich in diesem Sinne noch als emanzipativ bezeichnen will, muss daher den jüdischen Staat gegen seine palästinensischen Feinde wie deutschen Freunde zu verteidigen. Das heißt, statt mit den friedensliebenden Deutschen in eine konstruktive Diskussion zu treten, es sinnvoller ist zu diskutieren, ob wir die Friedenskundgebungen mit Flugblättern oder Pflastersteinen kritisieren.


Für Israel!
Gegen Deutschland!
Bis zum Kommunismus!

KPFiHVV | September 2001

[1] Zitiert nach dem Aufruf Zivilisation ist Völkermord
[2] siehe dazu: Jungle World 39/2001
[3] deren Zahl durchaus umstritten ist
[4] Für alle, die gerne missverstehen: Das soll nicht heißen, dass es rassistische Anfeindungen nicht gäbe. Das soll auch nicht heißen, dass diese Anfeindungen hingenommen werden sollen.
[5] Der Feind der Amerikaner sind nicht unsere vielen moslemischen Freunde, nicht unsere zahlreichen arabischen Freunde.