Antideutsche Kritik

Kapitalismuskritik - was soll das denn sein ?





Dank der Konzertgruppe squat-noize gibt es nicht nur immer wieder nette Konzerte im besetzten Haus, sondern nun auch schon den zweiten Newsflyer, der die Öffentlichkeit über die kommenden Ereignisse in der Rudolstädter Straße informieren will. Zugleich wird mit dem Beitrag, D.I.Y. - was soll das denn sein? das Konzept von sqnat-noize vorgestellt. Die Konzertgruppe sei eine Gruppe des Hauses, die offen für alle BesetzerInnen sei. Außerdem sei sie, im Gegensatz zur Gruppe des Autors, nicht politisch und sorge somit auch nicht f'ür eine Polarisierung im Haus oder gar das Aufbrechen von Fronten entlang theoretischer Üerlegungen. So oder ähnlich war es vor kurzem auf der Haus-Voll-Versammlung zu hören. Fast als ob sie dieses Missverständnis ausräumen wollten, haben squat-noize mit dem zweiten Newsflyer eindrucksvoll bewiesen, dass auch ihre Arbeit sehr wohl vor einem theoretischen Hintergrund geschieht. Vor einem theoretischen Hintergrund, der gar nichts anderes zulässt als Polarisierung, wenn in diesem Haus die Hoffnung auf Befreiung nicht einer moralisierenden Pseudopraxis weichen soll.

Rock against majors - Wir gegen Kommerz

Das Logo [Rock against majors] ist auf den Flyern, um öffentlich zu zeigen, daß wir versuchen wollen unsere Veranstaltungen unkommerziell zu gestalten. Unkommerziell bedeutet für uns, daß weder die Bands, noch Konzertagenturen, noch irgendwelche Einzelpersonen oder Personengruppen Gewinn aus unseren Veranstaltungen erzielen. So weit so schlecht. Denn zunächst wäre einmal zu bemerken, dass eine umfassende Kritik des Kommerz (d.i. ein wirtschaftliches, auf Gewinn bedachtes Interesse) eine grundsätzlich antikapitalistische sein muss. Dann stellt sieh aber die Frage, wieso es Rock against majors heißt. Denn schließlich sind nicht nur die großen Musik-Label und -Agenturen auf Gewinn aus. Auch Straßenmusikanten haben zuweilen das (kommerzielle) Interesse, ein bisschen Geld zu verdienen. Aber daraus kann weder den Kleinen noch den Majors ein Vorwurf gemacht werden. Denn an der sich apersonal vollziehenden, gesellschaftlichen Totalität des Kapitalismus ist niemand und sind alle schuld. Was soll also die Abgrenzung gegen Majors? Die Systematik des Kapitalismus ausblendend, ist sie Ausdruck einer zu kurz greifenden Kritik, zugleich hat sie die Funktion, das eigene Verhalten in der schlechten Welt, zum moralischen Wert zu erheben und auf diesem Umweg die egoistischen Wunsche zu befriedigen, die mangels eigenen Erfolgs in dieser Welt keine Erfüllung fanden. Die Ideologiehafigkeit [1] zeigt sich umso deutlicher, wo es heißt: Wir versuchen damit [gemeint sind unkommerzielle Veranstaltungen] zu verhindern, daß wir kapitalistische Strukturen fördern, da wir wollen, daß das besetzte Haus einen Angriff auf das kapitalistische System darstellt. Wer sich mit unkommerziellen Konzerten so subversiv und auf der richtigen, nämlich antikapitalistischen Seite wähnt, muss enttäuscht werden. Es ist für den Kapitalismus völlig gleichgültig, ob das Haus nach Gewinn strebt oder nicht. Ebenso wenig hat es der Kapitalismus nötig, dass wir ihn fördern, denn er ist als gesellschaftliches Prinzip etabliert und nicht als Teil eines dynamischen Kräfteverhältnisses, und dieses Prinzip lässt sich nicht durch das Handeln Einzelner zerbrechen. Über der kollektiven Schein-Abgrenzung gegen alles Kapitalistische, von dem wir, in einer kapitalistischen Gesellschaft lebend, nunmal aber objektiv Bestandteil sind, lässt sich dann auch schnell mal vergessen, dass auch wir, die BesctzerInnen, mit den Veranstaltungen Gewinn anstreben, um das Haus finanzieren zu können. Mit dem Unterschied, dass wir selbst unsere eigenen Angestellten sind und kostenlos arbeiten, d.h. uns unseren Lebensunterhalt noch irgendwo anders verdienen müssen. Schön mag das finden, wer gern arbeitet.

D.I.Y. bläst zum Sturm - gegen bürgerliches Glücksbestreben und egoistische Parasiten

Darüber hinaus stellt sich die Frage, was das Konzept Do-it-yourself (D.I.Y.) an emanzipativen Potential besitzen soll, weshalb sich squat-noize also positiv darauf bezieht. Dass erst eine arbeitsteilige Gesellschaft den Menschen weiter von der Natur emanzipiert hat, als er es mit der Subsistenzwirtschaft war und dass deshalb auch zukünftig Arbeitsteilung beibehalten werden sollte, das werden wohl die wenigsten bestreiten. Aber squat-noize hat mit D.I.Y., so lässt der Text vermuten, auch gar keine gesellschaftliche Veränderung im Auge, sondern zunächst nur die eigene Praxis; und die kann beim weiterlesen ganz schon gruseln. Die Konsequenz aus der D.I.Y. Theorie ist, dass die Bands meist für Fahrtkosten und Verpflegung auftreten und die Personen, die an der Veranstaltung beteiligt sind, selbstverständlich kein Geld erhalten. Interessant ist das selbstverständlich. Denn in der Regel ist es doch so, dass mensch für seine Arbeitskraft wenigstens bezahlt wird. Selbstverständlich wird unbezahlte Arbeit erst durch das falsche Selbstverständnis, nämlich nicht Teil des kapitalistischen Systems zu sein. Auch hier schimmert das Moralisierende durch, die Idee der persönlichen Subversion, was revolutionärer, antikapitalistischer Kritik Hohn spricht und in der Konsequenz die, die sich nicht mit auf die Seite der eigenen verkürzt-antikapitalistischen Moral schlagen, dem dialektischen Anderen, nämlich dem moralischen Gegenteil, d.h. den bösen Kapitalisten zuschlägt. Die Vorstellung unserer Veranstaltungen als antikapitalistischer Taten ist nicht nur falsch sondern obendrein ideologisch, denn sie hilft uns im Einrichten in der schlechten Welt. Hier unser Freiraum, der einen Angriff auf das kapitalistische System darstellt, dort der Kapitalismus. Ein kapitalistischer Widerling, wer in unserem Haus nicht mitmachen will. Und so heißt es weiter: Bewußt grenzen wir damit Bands aus, die mit Labels und Agenturen zusammen arbeiten, die im Ziel haben, Gewinn mit der (Sub)kultur zu machen. Pfui Teufel. Da gibt es doch tatsächlich Leute, die ihre Schaffenskraft nicht verschenken, sondern von ihr leben wollen, und da suchen diese Leute sichh doch ausgerechnet auch noch den Bereich vom Kunst, Musik, (Suh)Kultur - eben jenen Bereich, der bei squat-noize frei vom Bösen sein soll, jenen geheiligten Bereich, den kein bürgerliches Subjekt und sei es zur teilweisen Erfüllung seines individuellen Glücks nutzen darf. Nicht erst beim weiterlesen drängt sich der Vergleich des Parasiten auf, der den scheinbar von kapitalistischer Barbarei rein gehaltenen Freiraum ausnutzen und kapitalistisch besudeln will: Wir haben keinerlei Interesse daran, Irgendwelchen Leuten mit Hilfe unserer Veranstaltung ein schönes Leben zu finanzieren. Wäre dieser Satz nicht so furchtbar, wäre er eigentlich zum Lachen. Denn hier blamiert sich der antikapitalistische Anspruch endgültig am Wortlaut des Textes. Denn so in etwa könnte auch jede/r ArbeitgeberIn reden, der es auch nicht um das Wohl ihrer Angestellten, sondern um das der Firma (bzw. bei uns das Haus, die Sache o.a.) gebt. Wer nicht mit auf unsere antikapitalistische Insel kommen will, dem wird auch kein schönes Leben gegönnt. Das gleiche Prinzip findet sich verschärft in völkischen Kollektiven aller coleur. Sei es nun das deutsche, welches sich von Asylschmarotzern und Arbeitsunwilligen gefährdet sieht, weil die ja auch nur ihr persönliches Glück und nicht das des Staates respektive das des Volkes im Auge haben oder ein anderes.

Squat-Flair und Pseudopraxis - die Ideologie des Freiraums

Solch ein, in der eigenen Moral ruhendes Kollektiv, wie es die BesetzerInnengruppe immer mehr zu werden droht, hat natürlich alle Mühe, sich von den der amoralischen Außenwelt abzugrenzen, um auch weiterhin makellos zu sein. Der D.I.Y.-Text ist auch hierfür nur symptomatisch. Wer in der Tat einen Freiraum geschaffen hat, einen Raum ohne Herrschaft und Zwang, hat allen Grund ihn zu verteidigen. Denn schließlich muss ja nun nur noch der Rest der Welt von Herrschaft befreit werden und alles ist in Butter. Squat the world ... and everything is all alright. Ein sanftes Ruhekissen für's Gewissen ist das allemal und in dem Bewusstsein, die Besetzung sei an sich revolutionär lässt es sich dann auch gemütlich einschlafen. Dabei wäre diese Praxis, selbst wenn sie zum gesellschaftlichen Prinzip erhoben werden würde und sämtliche Räume von ihren BewohnerInnen, ArbeiterInnen etc. selbstverwaltet wären, nicht revolutionärer als das jugoslawische Sozialismus-Modell - kollektiver Kapitalismus eben. Wahrhaft revolutionäre Kritik hätte also nicht das bürgerliche, individuelle Glücksversprechen zu negieren, sondern müsste sich empören, dass dieses Glücksversprechen in den bürgerlichen Revolutionen nicht umgesetzt wurde. Sie müsste sich empören, dass die personale Herrschaft des Adels zwar abgeschafft und den Subjekten persönliche Autonomie zugestanden wurde, jedoch die Subjekte nun dazu gezwungen sind sich vermittels Warenproduktion aufeinander zu beziehen und die Herrschaft lediglich entpersonalisiert ist. Daran müssen wir Kritik üben und nicht an dem allzu verständlichen Wunsch, dieser beschissenen Welt ein kleines Stuck individuelles Glück zu entreißen.

KPFiHVV | August 2001

[1] Ideologie als gesellschaftlich falsches. Herrschaft affirmierendes Bewusstsein.