Thüringische Landeszeitung vom 15.2.2007

Nichts in trockenen Tüchern


Förderkreis Topf& Söhne diskutiert Vereinsgründung/Zeitpunkt für Baubeginn auf dem Gelände ungewiss

Geschichts- oder Erinnerungsort? Die Frage, welcher Beiname eher zur künftigen Topf & Söhne-Ausstellung passt, ist nur ein Detail, welches die Mitstreiter des Förderkreises beschäftigt. Auch wenn der Käufer noch nichts zum Baubeginn auf dem Gelände sagt, steht bereits die Diskussion an, ob eine Vereinsgründung die Arbeit intensivieren könnte.

Ungeduld herrschte im Publikum, als es jüngst nach der Aufführung der Lesung Technik ohne Moral um die Mitsprache der Erfurter bei der Umgestaltung des Werksgeländes gab. Der Förderkreis ist offen für jeden. Es konnte schon bisher jeder mitmachen oder nachfragen, verweist Sprecher Eckart Schörle auf die Praxis. Sah der lose Verbund von Interessierten bisher allerdings seine Aufgabe darin, die Debatte um die Verquickung von Industrie und Holocaust anhand des Erfurter Krematoriumsbauers anzustoßen, änderte sich die Situation mit dem jetzt erfolgten Verkauf an die Mühlhäuser Domicil Wohnbau GmbH. Es wäre jetzt, da es um Inhalte und Form der Ausstellung geht, wichtig, die Debatte auf eine breitere Basis zu stellen, meint Schörle. Die nicht neue Idee, durch eine Vereinsgründung eine festere Grundlage zu schaffen, stehe so wieder auf der Tagesordnung. Ein Verein erfordere aber Hierarchien und festere Strukturen, schreckt einige diese Aussicht. Institutionen stärker mit einzubinden oder Spenden und Fördergeld besser einwerben zu können, spräche für die Gründung eines Vereins. Aber auch die inhaltliche Arbeit, bzw. deren neue Ausrichtung könnten davon profitieren, wenn etwa durch die Vereinsstrukturen neue und kontinulierliche Mitarbeiter gewonnen würden.

Der Förderkreis denke da bereits perspektivisch an jenen Zeitpunkt, wenn in dem Verwaltungsgebäude die Geschichte des Familienunternehmens gezeigt wird. Das von Weimarer Schülerinnen aufgeführte Stück macht es vor, was an aktiver und kontinuierlicher Arbeit möglich ist. So war das Geschichtsprojekt aus einer ohnehin bestehenden engen Zusammenarbeit zwischen dem Wei- marer Goethe-Gymnasium und der Gedenkstätte Buchenwald erwachsen. Die Kooperation von Schulen mit der Buchenwald-Gedenkstätte ist aber nur das eine, Weimar gibt eine weitere Linie vor. Während nämlich in Erfurt der frühere Oberbürgermeister Manfred Ruge die Bedeutung von Topf&Söhne eher totschweigen wollte, habe ich bei der Begüßung von Gästen jedes Mal auf Buchenwald verwiesen, sagte der Alt-OB Weimars, Volkhard Germer, bei der Diskussion in der Schotte.

Das Topf-Gelände biete die Chance, die Beschäftigung mit dem Holocaust auszuweiten. Dieser Meinung ist nicht nur Dr. Annegret Schüle, die im Auftrag der Stadt die Ausstellung Techniker der Endlösung konzipierte und auch die Ausstellung am künftigen Erinnerungsort wissenschaftlich vorbereitet. Auch im Förderkreis sei man sich bewusst, dass nirgendwo explizit die Beteiligung der Industrie am Genozid an den Juden dargestellt wird. Erste Kontakte zur Fachhochschule Erfurt für eine dauerhafte pädagogischen Zusammenarbeit bestehen bereits. Mit dem Anspruch, die moralische Seite von Erfindergeist während der Ingenieur- und Meisterausbildung zu thematisieren.

Unter einer Selbstbeschäftigung dürfte der Förderkreis - oder auch -verein - in der nächsten Zeit keinesfalls leiden. In trockenen Tüchern ist der Geschichtsort Topf & Söhne noch nicht, sieht Eckart Schörle einige Unwägbarkeiten. Was genau entsteht auf dem Firmengelände? Gibt es Chancen, neben dem Verwaltungsgebäude auch ein weiteres unter Denkmalschutz stehendes zu erhalten? Etwa um die Produktion und einzelne Charaktere am authentischen Ort zu zeigen? Völlig offene Fragen. Helmut Golla, Chef von Domicil Hausbau, kann derzeit noch nicht einmal das Jahr benennen, in dem die Bauarbeiten auf dem Gelände überhaupt losgehen sollen.

Was dem Förderkreis mehr Bedenkzeit für eine Entscheidung zur Vereinsgründung einräumt, als ihm lieb sein wird. Und auch die Frage, ob Erinnerungsort - wie es Dr. Annegret Schüle bevorzugt - die passende Bezeichnung ist, lässt sich noch ausgiebig debattieren.