Thüringer Allgemeine vom 24.11.2008

Innenstadt blockiert


Rund 750 Demonstranten setzten sich Samstag mit einem Marsch durch die Innenstadt für den Erhalt des Besetzten Hauses auf dem Topf & Söhne Gelände ein. Trotz starker Polizeipräsenz kam es zu Ausschreitungen.
ERFURT (TA). "Das ist ja wie Hamburg Hafenstraße", meinte ein Erfurter Samstag nachmittag auf dem Anger. Mitten im Einkaufstrubel war die Flaniermeile blockiert. Zwischen 14 und 16 Uhr kam es zu wiederholten Unterbrechungen im Straßenbahnverkehr. Die Evag hatte Pendelverkehr eingerichtet. Erst nachdem der Demonstrationszug die Schienen verlassen hatte, normalisierte sich die Lage. Ab 16.30 Uhr fuhren die Bahnen wieder nach Fahrplan, so Evag-Einsatzleiter Klaus-Dieter Nowak.Der Protestmarsch war 14 Uhr am Bahnhof gestartet und bewegte sich über Anger, Fischmarkt und Domplatz wieder zurück zum Willy-Brandt-Platz. Mit Lautsprecherwagen und Transparenten machten die Teilnehmer auf ihr Anliegen aufmerksam. Das soziokulturelle und Wohnprojekt, das sich seit 2001 auf der Industriebrache an der Rudolstädter Straße entwickelt hat, soll der Neubebauung weichen. Der Investor, die Domicil Hausbau GmbH Mühlhausen, plant Wohn- und Gewerbebauten. Das Verwaltungsgebäude der früheren Firma Topf & Söhne, in dem auch die Konstrukteure der Verbrennungsöfen von Auschwitz arbeiteten, wird von ihm als Gedenkstätte saniert.Für diesen Teil des Projekts zollten die Demonstranten dem Investor Anerkennung. Zugleich aber forderten sie den Verbleib des Besetzten Hauses auf dem Areal. Aus der Sicht des Investors ist dies nicht zu realisieren. Die Gedenkstätte werde nur möglich, wenn sich die Gesamtinvestition durchsetzen lässt. Nur im Kontext könne der Museumsbau mitfinanziert werden. Das von der Stadt angebotene Ausweichobjekt in der Auenstraße wiesen die Demonstranten als zu klein zurück. Zudem lehnten sie die Gründung eines Vereins als Mietpartner ab. "Das steht unserem Selbstverständnis entgegen", verkündeten die Demonstranten. "Besetztes Haus bleibt", rief ein Sprechchor vor dem Rathaus. Teilnehmer provozierten mit Feuerwerkskörpern, die sie am Fischmarkt zündeten. Er könne den Besetzern keine Legitimation für das Gelände geben, erklärte Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) gegenüber TA. Das Firmenareal war nie im Besitz der Stadt. Für das Ausweichobjekt brauche er eine rechtliche Basis. Auch in Hamburg, Berlin oder Weimar sei die Hausbesetzung über Vereine legalisiert worden. Ein größeres Gebäude kann der OB nicht anbieten. Aus städtischem Besitz sei die Wasserzählerwerkstatt schon das am besten geeignete.Die Feuerwerksraketen blieben nicht die einzigen Ausschreitungen. Am südlichen Juri-Gagarin-Ring wollten auf dem Rückmarsch einige Demonstranten die festgelegte Strecke verlassen, wurden aber von der Polizei daran gehindert. Am Busbahnhof wurden fünf Einsatzfahrzeuge durch Steinewerfer beschädigt. Ein Polizist wurde durch Schläge verletzt. Von 152 Teilnehmern wurden die Personalien notiert. Ein stark alkoholisierter Demonstrant, der Widerstand gegen die Beamten leistete, wurde vorläufig festgenommen.