Rund 750 Demonstranten setzten sich Samstag mit einem Marsch durch
die Innenstadt für den Erhalt des Besetzten Hauses auf dem Topf &
Söhne Gelände ein. Trotz starker Polizeipräsenz kam es zu
Ausschreitungen.
ERFURT (TA). "Das ist ja wie Hamburg Hafenstraße", meinte ein Erfurter
Samstag nachmittag auf dem Anger. Mitten im Einkaufstrubel war die
Flaniermeile blockiert. Zwischen 14 und 16 Uhr kam es zu
wiederholten Unterbrechungen im Straßenbahnverkehr. Die Evag hatte
Pendelverkehr eingerichtet. Erst nachdem der Demonstrationszug die
Schienen verlassen hatte, normalisierte sich die Lage. Ab 16.30 Uhr
fuhren die Bahnen wieder nach Fahrplan, so Evag-Einsatzleiter
Klaus-Dieter Nowak.Der Protestmarsch war 14 Uhr am Bahnhof gestartet
und bewegte sich über Anger, Fischmarkt und Domplatz wieder zurück
zum Willy-Brandt-Platz. Mit Lautsprecherwagen und Transparenten
machten die Teilnehmer auf ihr Anliegen aufmerksam. Das
soziokulturelle und Wohnprojekt, das sich seit 2001 auf der
Industriebrache an der Rudolstädter Straße entwickelt hat, soll der
Neubebauung weichen. Der Investor, die Domicil Hausbau GmbH
Mühlhausen, plant Wohn- und Gewerbebauten. Das Verwaltungsgebäude
der früheren Firma Topf & Söhne, in dem auch die Konstrukteure der
Verbrennungsöfen von Auschwitz arbeiteten, wird von ihm als
Gedenkstätte saniert.Für diesen Teil des Projekts zollten die
Demonstranten dem Investor Anerkennung. Zugleich aber forderten sie
den Verbleib des Besetzten Hauses auf dem Areal. Aus der Sicht des
Investors ist dies nicht zu realisieren. Die Gedenkstätte werde nur
möglich, wenn sich die Gesamtinvestition durchsetzen lässt. Nur im
Kontext könne der Museumsbau mitfinanziert werden. Das von der Stadt
angebotene Ausweichobjekt in der Auenstraße wiesen die Demonstranten
als zu klein zurück. Zudem lehnten sie die Gründung eines Vereins
als Mietpartner ab. "Das steht unserem Selbstverständnis entgegen",
verkündeten die Demonstranten. "Besetztes Haus bleibt", rief ein
Sprechchor vor dem Rathaus. Teilnehmer provozierten mit
Feuerwerkskörpern, die sie am Fischmarkt zündeten. Er könne den
Besetzern keine Legitimation für das Gelände geben, erklärte
Oberbürgermeister Andreas Bausewein (SPD) gegenüber TA. Das
Firmenareal war nie im Besitz der Stadt. Für das Ausweichobjekt
brauche er eine rechtliche Basis. Auch in Hamburg, Berlin oder
Weimar sei die Hausbesetzung über Vereine legalisiert worden. Ein
größeres Gebäude kann der OB nicht anbieten. Aus städtischem Besitz
sei die Wasserzählerwerkstatt schon das am besten geeignete.Die
Feuerwerksraketen blieben nicht die einzigen Ausschreitungen. Am
südlichen Juri-Gagarin-Ring wollten auf dem Rückmarsch einige
Demonstranten die festgelegte Strecke verlassen, wurden aber von der
Polizei daran gehindert. Am Busbahnhof wurden fünf Einsatzfahrzeuge
durch Steinewerfer beschädigt. Ein Polizist wurde durch Schläge
verletzt. Von 152 Teilnehmern wurden die Personalien notiert. Ein
stark alkoholisierter Demonstrant, der Widerstand gegen die Beamten
leistete, wurde vorläufig festgenommen.