Thüringer Allgemeine vom 17.04.2009

Kompetenzgerangel


Demonstrationswillige im Clinch mit sich selbst und der Polizei / Acht Festnahmen am Anger

Der Anger glich gestern Nachmittag bis weit in den Abend hinein einer Festung. Betroffene der Räumung des besetzten Hauses und Sympathisanten hatten ihn in Beschlag genommen. Die Polizei hielt mit einem massiven Aufgebot dagegen. Der Straßenbahnverkehr war stundenlang lahmgelegt.

ALTSTADT (jh). Eine für 18 Uhr angekündigte Kundgebung wollte nicht in die Gänge kommen. Erst wurden sich der Antragsteller und die Ordnungsbehörden nicht über die Streckenführung einig, dann bekamen sich die vermeintlich Gleichgesinnten in die Wolle: Der ursprüngliche Anmelder der Kundgebung hatte sich infolge des Disputs mit den Sicherheitskräften zurückgezogen. Den sodann in die Bresche springenden Stadtrats- und Landtagspolitikern der Linkspartei sprach er indes das Recht auf Vertretung ab. Ihr habt keine Legitimation, entrüstete sich der bezopfte Blondschopf unaufhörlich.
Während des Hickhacks um Route und Führungskompetenz kochte die Stimmung im Tross der Protestler immer wieder hoch. Mit Farbe befüllte Luftballons und Flaschen wurden auf die Polizisten geworfen. Es gab acht Festnahmen, darunter auch der Fahrer des Lautsprecherwagens, der plötzlich auf Uniformierte zusteuerte, die einen Demonstranten dingfest machen wollten. In Gewahrsam genommen wurde auch ein junger Mann im Rollstuhl, der plötzlich ohne fremde Hilfe aufstand, zu urinieren begann und dabei versuchte, die Polizisten zu treffen. Er war schon am Morgen bei der Aktion im besetzten Haus vorübergehend verhaftet worden.
Erst gegen 20.30 Uhr durften sich die rund 200 Demonstranten, darunter Aktivisten aus Jena und Weimar, vom Anger in Bewegung setzen. Über den Fischmarkt zogen sie zum Domplatz und durchs Brühl zurück zum Ausgangspunkt. Mittlerweile war es 23 Uhr, ehe die Straßenbahnen wieder auf allen Linien rollen konnten.