Überraschungseffekt verhindert Auseinandersetzung Kritik an Großeinsatz
Erfurt. (ddp/tlz/ger) Die Hausbesetzer hatten sich offenbar schon auf eine Schlacht eingestellt mit Nagelbomben, Molotow-Cocktails, Macheten und Äxten. Doch die Polizei rückte mit ihren Hundertschaften schon in den frühen Morgenstunden auf das ehemalige Gelände der in NS-Verbrechen verstrickten Firma Topf und Söhne vor. Auch Hubschrauber waren im Einsatz, von denen Beamte sich abseilten. So wurde das besetzte Haus in Erfurt nach monatelangem Streit ohne größeren Widerstand geräumt. Verletzt wurde niemand. Zahlreiche Waffen wurden sichergestellt, 59Bewohner und Sympathisanten vorläufig festgenommen. Nach vier Stunden war der Einsatz beendet. Die Polizei ermittelt wegen Land- und Hausfriedensbruchs. Der Ärger bei DGB-Jugend und Linken ist groß. Der CDU-Landtagsabgeordnete Michael Panse hält dagegen das Vorgehen für alternativlos und verweist auf sichergestellte Waffen sowie Pflastersteinwürfe. Das mache deutlich, dass es sich um alles andere als friedliche Jugendrebellion handelte.
35 der linksautonomen Besetzer hatten der Polizei zufolge am Eingang des Areals eine Sitzblockade gebildet. Weitere Aktivisten wurden im Haus aufgegriffen. Steinewerfer wurden vom Dach geholt. Zuletzt mussten fünf Jugendliche aufgeben, die ihre Hände in einer frisch einbetonierten Metallröhre aneinandergekettet hatten. Einige hatten vor dem Gebäude eine Barrikade aufgebaut und einen Container angezündet.
Der Polizei zufolge kam es nicht zu größeren Krawallen, weil die Beamten 5.30 Uhr den Überraschungseffekt genutzt hätten. Mit mehreren Dutzend Transportern und einem Wasserwerfer waren hunderte Polizisten in Kampfmontur, darunter Sondereinsatzkommandos aus Bayern, Sachsen und Hessen sowie Spezialeinheiten der Bundespolizei im Einsatz. Der Sprecher wies die Darstellung zurück, dass die Polizei Tränengas eingesetzt habe. Ein Sprecher der Linksautonomen hatte sich schockiert über das Vorgehen der Polizei geäußert. Die Hausbesetzer hatten acht Jahre auf dem Areal der Firma Topf und Söhne gewohnt. Diese hatte im Zweiten Weltkrieg Krematoriumsöfen für die NS-Vernichtungslager produziert. Ein Investor will dort Wohngebäude, Geschäfte und eine Erinnerungsstätte errichten. Ein Angebot der Stadt, in ein anderes Gebäude zu ziehen, lehnten die Besetzer ab.
Der politische Streit wird jetzt in den Innenausschuss des Landtags getragen: Linksfraktionär Roland Hahnemann kritisierte, der Polizeieinsatz sei so konzipiert worden, dass weder Medien noch Abgeordnete nachvollziehen konnten, was geschah. Eine Kontrolle war nicht möglich und das war Absicht. Panse sagt, Hahnemann beschönige unverantwortlicherweise rechtswidriges Handeln. In Jena und Weimar rumorte es nach der Erfurter Räumung.