Thüringische Landeszeitung vom 17.04.2009

Die Wut mündet in Gewalt


Nach Räumung in Erfurt brennen in Weimar 40 Container Stadt und Polizei mit Appell an Gerber 1

Von Thorsten Büker, Weimar. (tlz)

Die Lage war mehr als angespannt. Der Polizeihubschrauber stand über Weimar, die Inspektion wurde durch Kräfte der Polizeiinspektion Zentrale Dienste aus Jena verstärkt, seit den Morgenstunden brannten Wertstoffcontainer an mehr als 13 Standorten in Größenordnung ab, 40 an der Zahl. Der Auslöser war wenige Kilometer weiter westlich zu finden: Polizisten waren am frühen Morgen auf das ehemalige Gelände der Firma Topf und Söhne vorgerückt, um die Häuser zu räumen. Und jene Bewohner können auf die Solidarität der Gerberstraße 1 bauen.

Bewiesen ist nichts: Dass ein Zusammenhang zwischen den Brandstiftungen und Sympathisanten der Gerberstraße 1 besteht, ist Spekulation, wenngleich nicht abwegig. Zumal am frühen Morgen zwei schwarz-vermummte Gestalten gesehen worden seien, die von einem Tatort in Richtung Gerberstraße liefen, erklärte die Polizei. Die Räumung des Hauses in Erfurt begann 5.30 Uhr, keine anderthalb Stunden später brannten die ersten Container in der Schlossgasse, in der Erfurter Straße und in der Asbachstraße. Die nächste Brandstiftung ereignete sich gegen 13 Uhr am Ende der Henßstraße, Ecke Humboldtstraße. Danach brannten in der Erfurter Straße sowie in der Jean-Sibelius-Straße weitere Container, am späteren Nachmittag gingen vier Papiercontainer am Papiergraben und in der Möhrikestraße in Flammen auf, am Abend folgten Frauenplan und Windischenstraße, noch später Standorte am Horn und in der Washingtonstraße.

Polizei und Stadt erkannten die Brisanz der Lage schon am Mittag: Um 12 Uhr suchten Polizeichef Ralf Kirsten in Zivil sowie OB Stefan Wolf (SPD) und Bürgermeister Christoph Schwind (CDU) die Gerberstraße 1 auf, um mit Nutzern ins Gespräch zu kommen. Dabei stieß der Staats-Besuch zunächst auf Ablehnung, denn trotz mehrmaligen Klopfens wollte niemand die Türe öffnen. Nach ein paar Minuten trat der erste junge Mann auf die Straße, weitere sollten folgen. Sowohl Wolf, als auch Kirsten betonten, dass es jetzt nicht um Schuldzuweisungen für die Brände gehe. "Wir wollen ein friedliches Zusammenleben", sagte der OB, der appellierte, nach den Szenen in Erfurt die Situation nicht eskalieren zu lassen. Auch die Vertreter der Gerberstraße betonten, die Gewalt abzulehnen, und sagten, dass das Haus keine Rückzugsräume für Straftäter biete.
In einem Eintrag auf dem linken Internetportal Indymedia heißt es unter anderem über den Besuch: ...man hätte sie (die Gerberstraße 1, die Red.) angeblich mit den Vorfällen in Verbindung gebracht und wolle gemeinsam eine Eskalation verhindern. Gegen 13.30 jedoch zogen bereits die nächsten Rauchschwaden über Weimar wieder brannten mehrere Container an verschiedenen Orten. Anscheinend gibt es auch in Weimar Menschen die sich mit dem besetzten Haus solidarisieren. Der Feuerwehr bescherte der Donnerstag ein Großeinsatz: zunächst waren drei Fahrzeuge der Berufsfeuerwehr mit acht Kameraden vor Ort, während die Freiwillige Feuerwehr Mitte in der Wache zur Reserve bereitstand. Gegen Mittag waren 38 Kameraden der Berufsfeuerwehr und der Freiwilligen Feuerwehren Schöndorf, Ehringsdorf, Taubach und Mitte im Einsatz. Und es hörte nicht auf...
Die vorläufige Schadensbilanz: 40 zerstörte Container sowie Gartenzäune, fünf Bäume, ein Auto, ein Zigarettenautomat und ein Trafohäuschen, die in Mitleidenschaft gezogen wurden. Die Polizei blieb bis in die frühen Morgenstunden in Alarmbereitschaft. Festnahmen gab es bis Redaktionsschluss allerdings nicht.