Thüringer Allgemeine vom 24.04.2009

Reaktionen auf Räumung des besetzten Hauses


TA bietet im Internet ein Forum: Alternatives Wohnen - Sympathie und Ablehnung/Kritik und Zustimmung für Polizeieinsatz
Die Räumung des besetzten Hauses und der damit verbundene Polizeieinsatz vor einer Woche sorgten für heftige Proteste: eine Demonstration, ein brennender Dachstuhl, Container im Flammen, zerstörte Autos. Thüringer Allgemeine bietet im Internet zahlreiche Diastrecken und Videos des TA-Augenzeugen. Im Netz wird heftig diskutiert. Einige Leser-Reaktionen, die uns per E-Mail erreichten, sind nachfolgend dokumentiert.

Unmut

Es ist unglaublich, wie weltfremd und abseits der Realität Leute derart abwertend und bösartig über Menschen (die Besetzer, Anm. d. Red.) reden können, die sie selbst höchstwarscheinlich nie zu Gesicht bekommen haben, geschweige denn ein Wort mit ihnen wechselten. Woher kommt dieser unglaubliche Unmut plötzlich? Das ehemalige Gelände Topf & Söhne war in seiner gesamten Zeit als besetztes Haus nie dafür vorgesehen, Verbrecher oder Bösewichte aufzunehmen.
Thomas

Ende der Toleranz

Also meine Toleranz hört eindeutig auf, wenn die Steuergelder, welche die arbeitende Bevölkerung zahlt, für Polizeieinsätze ausgegeben werden müssen, um die Innenstadt und die Passanten vor den angeblich friedlichen Demonstranten zu schützen. Und wieder einmal zeigte mir dieser Aufmarsch, dass ich doch gern für meine 6,50 Euro arbeiten geh', um dann so etwas zu finanzieren. Ich selbst durfte miterleben, wie friedlich demonstriert wurde, nur knapp neben mir ging eine Bierflasche nieder. Ich als Gothic musste mich auf das Übelste von den ach so toleranten Demo-Teilnehmern beschimpfen lassen.
BitterSweetDream

Fehlende Perspektiven

Die jungen Menschen brauchen Perspektiven, sagte eine Befragte im Fernsehen. Das ist richtig. Den jungen Autonomen Vorwürfe zu machen ist falsch. Es ist jedem Menschen in ganz Deutschland bekannt, dass es für -zig Millionen Menschen ohne Arbeitsplatz und ohne Erwerbseinkommen keine neuen Arbeitsplätze gibt. So zu tun, als sei die Welt-Wirtschafts-Krise an Erfurt vorübergegangen, hilft keinem weiter. Es gibt Menschen, die die Lebensweise, vor allem die Überzeugungen von Nazis, Neo-Nazis und Rechts-Extremen nicht teilen wollen und auch nicht teilen können.
Andreas Klamm

Schandfleck in der Stadt

Ich finde es richtig, dass das Haus geräumt wurde, immerhin war es nicht schön für das Stadtbild. Wenn man aus Richtung Weimar mit dem Zug kommt, war es immer ein Schandfleck. Ich selbst habe von fremden Besuchern Erfurts gehört, dass es schrecklich aussieht. Wenn wir normalen Leute so etwas machen würden, würde uns eine Strafe drohen, aber bei den Linken ist es nicht so. Die hätten sich den ganzen Stress sparen können, wenn sie das Ersatzhaus angenommen hätten. Die ganze Energie die sie verbraucht haben, hätten sie in das neue Haus stecken können und alle wären zufrieden gewesen. So mussten viele Leute auf die verspäteten Straßenbahnen warten, Autofahrer mussten Umleitungen fahren.
Bianca G.

Mutige Jugendliche

In diesem kapitalistischen System ist scheinbar kein Platz für alternative Lebensweisen. Menschen, die Häuser besetzen, machen das, weil sie ihr Leben in die Hand nehmen und nicht früh morgens irgendwo abgeben. Die meisten Leute, die hier gegen die mutigen Jugendlichen hetzen, sind doch auch nur Opfer der herrschenden Maschinerie.
Unterstützer

Klare Linie gefahren

Ich finde es einfach nur richtig, dass man in dieser Sache eine klare Linie gefahren ist. Jeder kann in seinen eigenen Räumen machen, was er will, aber nicht in fremden. Als Eigentümer würde auch ich immer das Recht behalten wollen, selber zu entscheiden was mit meinem Haus passiert. Inwieweit der polizeiliche Aufwand gerechtfertigt war, kann ich nicht beurteilen.
80er

Gehören dazu

Ich bin auch so ein Normalo, der arbeitet, brav seine Steuern zahlt und sich ärgert, wenn mal wieder sinnloserweise Hauswände vollgeschmiert sind. Autonome und ihre Lebensansichten gehören genauso zu unserer Gesellschaft wie die Herren im Nadelstreifenanzug. Man vergleiche doch mal die Schäden, die sowohl die einen als auch die anderen gerade im letzten halben Jahr für unsere Gesellschaft angerichtet haben, moralisch und finanziell. Ein Bruchteil des Geldes aus dem Konjunkturpaket würde reichen, um auch alternative Lebensformen zumindest so zu unterstüzen, dass man miteinander leben kann.
gabi

Keine Punks wie früher

Es ist schon krass, wenn man sein Eigentum gerichtlich geltend machen muss, um dann 'ne ganze Menge Polizisten aus ganz Deutschland zu holen, damit der rechtmäßige Besitzer darüber verfügen darf. Diese Hausbesetzer sind keine Punks wie sie es früher ein mal waren. Ein Punk lebt besitzlos, heutzutage wird hier eine Riesenshow von den Leuten gemacht.
sven

Pure Zerstörung

Wenn ich höre, es ist friedlich abgegangen, platzt mir der Kragen, unzäglige Müllcontainer, ein paar Pkw und anderes Eingetum wurde beschädigt. Es wurde viel zu mild gegen diese Leute vorgegangen.
Carsten

Übel beschimpft

Ich bin gebürtiger Erfurter und lebe seit 27 Jahren hier. Es ist mir unverständlich, wie sich Bürger meiner Stadt derart über ihre Jugendlichen aufregen und sie übel beschimpfen - nur damit ihre Strebergartenkultur heile bleibt.
Matthias

Regide Sparpolitik
Ich bin in Erfurt aufgewachsen, habe mich auch früher in der linke Szene zuhause gefühlt. Ein Haus zu besetzen ist sicherlich nicht gerade das Beste auf der Welt, aber es war ein Freiraum für eine Jugendkultur. Staatlich gesteuert oder gefördert gibt es in Erfurt und in Thüringen, dank einer rigiden Sparpolitik und Intoleranz, keine solche Freiräume und Entfaltungsmöglichkeiten. Die polizeiliche Räumung des Hauses beweist nur die Unfähigkeit des Freistaates und der Stadt, mit solchen Problem umzugehen und eine vernünftige Jugendkultur und Subkultur in geregelten Bahnen sich entwickeln zu lassen.
john p

Einsatz überzogen

Ich fand den überdimensionalen Einsatz der Polizei völlig überzogen. Der ganze Stolz der Polizei war der Hubschraubereinsatz. Gegen wen sind die eigentlich vorgegangen? Gegen Verbrecher, gegen Terroristen oder gegen Jugendliche, die seit acht Jahren ein Gelände besetzen und unsere Stadt dies seit acht Jahren geduldet hat? Für mich sind das Menschen, die einfach eine andere Lebensform für sich gewählt haben als wir, die sich anpassen und sich gängeln lassen von diesem Staat.
Marita Kulesch

Fazit

Diese Stadt hat Jugendliche satt. So scheint es.
Heinrich H.

Verlust ist schade

Obwohl ich die Besitzfrage und deren Folgen verstehe, finde ich es sehr schade, dass Erfurt ein weiteres Jugendzentrum verlieren muss, um das Stadtbild aufzupolieren.
Jacob

Logische Frage

Sind den Besetzern eigentlich mal richtige Wohnungen angeboten worden? ( Die dann allerdings vom Sozialamt hätten bezahlt werden müssen.
Lisa S.

Warum bleiben die Chaoten straffrei?

Brennende Autos, Molotowcocktails, Gewalt und Zerstörung. Sind dies die Mittel der Linksautonomen, um den Kapitalismus abzuschaffen? Haben völlig entfesselte Jugendliche uns alle im Griff? Die Caritas sammelt für Menschen am Rande der Gesellschaft, und die Stadt muss hart erarbeitete Steuergelder für die Folgen des Vandalismus der Szene ausgeben. Warum lässt man Chaoten straflos wieder laufen, die fremdes Eigentum zerstören?
Susanne Wagner-Schröer

Dank dem OB für Durchhaltevermögen

Viele Erfurter Bürger werden den 16. April in Erinnerung behalten. Man kam sich vor wie ein Fremder in seiner Stadt. Gesperrte Straßen, Stau überall, nur gut, dass man vom mdr Rat bekam, aber allein das Polizeiaufgebot machte Angst. Nun wissen wir, was der Grund war: Herrn Dr. Schmitt aus Büßleben kann ich nur beipflichten, diese Hausbesetzer bilden sich ein, Recht und Gesetz zu missachten. Nur fordern und zum Schluss bleibt der verursachte Schaden, wie abgebrannte Mülltonnen, am Steuerzahler hängen! Man kann dem OB Bausewein nur danken für seine Initiative und Durchhaltevermögen. Dass nun hoffentlich Ruhe einkehrt und die Hausbesetzer durch Arbeit im Gemeinwesen die Kosten der Aktion bezahlen, das wünschen sich viele Erfurter Bürger.
Matthias Reinmüller, Erfurt


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