Von Glotz zu Friedrich - Kritik an der Wahrnehmung der Deutschen als Opfer.


Buchlesung mit Jörg Friedrich am 03. Dezember in Erfurt verhindern!!

Deutsche Täter seien in der Tat keine Opfer, erklärte Peter Glotz zu Beginn seiner Lesung des Buches "Die Vertreibung" am 12. 11.03 in der Erfurter Universität. Bezug nahm er damit auf die Proteste vor dem Hörsaal zu dem die neugegründete Erfurter Antifagruppe "Mila26" aufgerufen hatte. Kritisiert wurde die zunehmende gesellschaftliche Umdefinierung der Rolle der deutschen Bevölkerung während des Nationalsozialismus. Ob bewusst oder unbewusst, auch der Schriftsteller und Kommunikationswissenschaftler Peter Glotz trägt mit seinem Buch zur Bildung eines deutschen Opfermythos bei. Ein halbes Jahrhundert lang gaben die Deutschen sich betroffen und zerknirscht und sahen sich vor der Weltöffentlichkeit als Kriegstreiber und - verbrecher zweier Weltkriege gebrandmarkt. Die Kriege gegen Jugoslawien und den Irak spielten dagegen eine nicht unwesentliche Rolle in der neuen Rolle der Deutschen als Freunde des Friedens. Denn wer sollte besser wissen, was Krieg bedeutet als die Deutschen selber. Da zog man aus, um in Jugoslawien ein "zweites Auschwitz" zu verhindern und verglich die Bombardierung Bagdads mit den Luftangriffen gegen Dresden. Ob Vertreibung, Bombardierung oder die Versenkung der "Wilhelm Gustloff" in der Ostsee - die deutschen Dichter und Denker ebnen dem Geschichtsrevisionismus den Weg. Selbst Leute wie Peter Glotz die, im Gegenteil zu Jörg Friedrich, durchaus den historischen Kontext mit einbeziehen, tragen damit zum Opfer - Diskurs ganz wesentlich bei.
Während Glotz am 12. November vor dem vollbesetzten Hörsaal 5 der Uni über sein Buch sprach, scheuten sich die Verantwortlichen der Universität vor Protest und inhaltlicher Auseinandersetzung und ließen einen wildgewordenen Einsatzleiter der Polizei von der Leine, welcher sich nicht einmal für eine sachliche Diskussion als kompetent erweisen sollte. Die ca. 20 AntifaschistInnen protestierten nach einem Rauswurf vor der Tür weiter und die Besucher der Veranstaltung mussten an der Tür Bereitschaftspolizisten in Strampelanzügen passieren. "Ein Diskurs zwischen draußen und drinnen wäre sicher spannend gewesen" schrieben selbst die anwesenden Journalisten der Thüringer Allgemeine am folgenden Tage, was sich sicher als richtig hätte erweisen können.
Anders wird es sich mit dem Berliner Historiker Jörg Friedrich verhalten. Der Autor des Buches über die Luftangriffe gegen Nazideutschland mit dem Namen "Der Brand" erklärte schon bei Protesten gegen eine Veranstaltung in Göttingen, die ZuhörerInnen sollten doch den SA-Pöbel vor der Tür beiseite räumen. Ein relativierender und auf den Kopf gestellter Jargon, welchen sich Friedrich zu eigen gemacht zu haben scheint. In seinem Buch wimmelt es jedenfalls nur von solchen relativierenden Begriffen. Da werden die Bombardierungen als Bücherverbrennung bezeichnet und Hitler und Churchill auf eine Ebene gestellt. Ein Geschichtsrevisionist mit dem es also nichts mehr zu diskutieren gibt. Dem gegenüber gilt es vielmehr die Bombardierung Nazideutschlands im Nachhinein zu rechtfertigen. Mit dem Bombenkrieg befassen sich deutsche Zeitzeugen sowie die Nachgeborenen schließlich mit Leidenschaft, wie der Kassenschlager "Der Brand" beweist. Nebenbei wird behauptet, endlich mit dem Tabu der Nachkriegsgeschichte gebrochen zu haben, was sich, würde man genauer darüber nachdenken, als falsch herausstellen würde. So musste die Bombardierung auch schon in der DDR als Beweis dafür herhalten, dass auch "die Anderen" Schuld auf sich luden und die angloamerikanischen Bomber die sinnlose Zerstörung Dresdens zu verantworten hätten. Was wir derzeit erleben ist nicht die Ur- sondern die Wiederaufführung deutscher Selbstinszenierung als Opfer. Jörg Friedrich meint das größte Schlachtfeld des 2. Weltkrieges offenbar nicht in Osteuropa sondern in Deutschland auszumachen. Dabei beschreibt er mit grellsten Formulierungen die Leiden der deutschen Bevölkerung. Nebenbei wird natürlich auch auf die vorangegangenen Verwüstungen Guernicas, Warschaus, Rotterdams, Londons ..... eingegangen - was aber auch schon alles ist. Die historische Einordnung kommt völlig zu kurz, es drängt sich der Eindruck auf, hier hätte ein Krieg ausschließlich in der Luft stattgefunden. Permanent wiederholt Friedrich, was übrigens auch niemand bestreitet, dass Bombardierung eine moderne Form der Barbarei darstellt. Jedoch sollte ein Historiker eigentlich wissen, dass Geschichte sich nur im allgemeinen Kontext betrachten und beurteilen lässt. Um was sich Friedrich in seinen gegenwärtigen publizistischen Äußerungen bemüht, ist ein Bild von der Verselbständigung des Bösen im Bombenkrieg (alles natürlich schön illustriert mit Leichen von Frauen und verstümmelten Kindern ; vergl. "Brandstätten), als ob dieser nichts anderes gewesen sei als ein sinnloses Massaker aus Freude am Töten. Untermalt wird dieses Bild von der flachen Behauptung, das Bombardement sei militärisch und kriegswirtschaftlich sinnlos gewesen. Die Demoralisierung der Wehrmacht an der Ostfront, der Abzug von kriegswichtigen Jagdflugzeugen von der Front, der riesige Aufwand Kriegsgerät trotz der Bombardierung zu transportieren, das durch das Ausmaß der Zerstörungen ermöglichte Untertauchen noch überlebender Juden - sind nur einige Beispiele, welche das Gegenteil beweisen. Die Bombardierungen zum Kriegsende lassen sich, nach Bekanntwerden der Bilder aus Majdanek 1944, schlichtweg nachvollziehen. Der Kampfgeist derjenigen, die sich der NS-Terrorherrschaft begeistert an den Hals warfen, sollte entgültig gebrochen werden. Zu oft trifft es in der Geschichte die Falschen - in diesem Fall hat es überwiegend die Richtigen getroffen.

Kommt alle am 03. Dezember rechtzeitig zum Hörsaal 5 der Erfurter Universität! Die Veranstaltung soll um 20.00 Uhr beginnen.
Gegen den Geschichtsrevisionismus vorgehen - die Veranstaltung mit Jörg Friedrich verhindern!

Informationsveranstaltung zu Jörg Friedrich und seinem Buch "Der Brand" - sowie Planung von Gegenaktionen:
Freitag 28.11.03
18.00 Uhr besetztes Haus / Rudolstädterstrasse 1


Mila26