Der Begriff bezeichnet im englischen all jene, die nicht in das Weltbild der heterosexuellen, weißen, christlichen und bürgerlichen Kleinfamilie passen und wird als abwertendes Schimpfwort verwendet. Seit Ende der 80er Jahre wird der Begriff in den USA von Homosexuellen, Transgenders, Tunten, SM-erInnen, Geschlechtsuneindeutigen und Prostituierten als kämpferisch-aggressive Selbstbezeichnung genutzt.
Im Zuge der AIDS-Krise in den 80er Jahren und deren sozialen Folgen für die Betroffenen verstärkten sich die homophoben Vorurteile sprunghaft, gleichzeitig begann aber auch das bis dahin vorherrschende Selbstverständnis der vorwiegend weißen, finanziell abgesicherten schwulen Community zu bröckeln. Es wurde deutlich, dass beispielsweise Tunten, Stricher und Schwule und Lesben aus anderen "ethnischen Gruppen" vom AIDS-Virus gleichermaßen betroffen waren und nicht länger außen vor bleiben konnten.
Vor diesem Hintergrund, und weil einige Menschen von der Institutionalisierung der Schwulenbewegung und ihrer zunehmenden "Assimilation" angenervt waren, entstand eine neue politische Bewegung, die all diese unterschiedlichen Ansätze aufzugreifen versuchte.Der Begriff queer, der sich mit "pervers" oder "abartig" übersetzen lässt, gab diesem politischen Ansatz einen Namen.
Queer ist zum einen eine politische Bewegung und zum anderen ein theoretischer Denkansatz, der hauptsächlich an den Universitäten (Gender Studies) diskutiert wird. Queer politics hat ihren Ursprung im anglo-amerikanischen Raum, ließ sich jedoch nur schwer auf Europa übertragen. In Deutschland gab es lediglich vereinzelte Aktionen und Zusammenschlüsse mit einem queeren Hintergrund.
Männlich, weiblich, hetero, homo und der ganze Rest?
Die Idee, dass es zwei Geschlechter gibt, und alle Menschen einem von beiden zugeordnet werden können ist in der Geschichte der Menschheit relativ neu. Erst mit Einführung der bürgerlichen Gesellschaft und den ersten naturwissenschaftlichen Erklärungsversuchen setzte sich die Vorstellung zweier sich diametral gegenüberstehender Geschlechter durch. Bis heute werden Kinder bei der Geburt einem der zwei biologischen Geschlechter zugeordnet. Dort, wo das nicht eindeutig möglich ist, wird medizinisch eingegriffen, frei nach der Devise: Was nicht passt, wird passend gemacht.
Die biologischen Geschlechter haben außerdem soziale Entsprechungen: Attribute wie aktiv, rational, kämpferisch und dominant gelten als männlich, während Frauen eher Eigenschaften wie Passivität, soziale Fähigkeiten, Schutzbedürftigkeit und Schönheit zugeschrieben werden.
Die zwei Kategorien, männlich und weiblich, strukturieren das gesamte gesellschaftliche Leben.
Die Aufteilung in private und öffentliche Sphäre, in Reproduktion und Arbeit orientiert sich an den polaren Gegensätzen weiblich und männlich. Während Männer in der bürgerlichen Gesellschaft vorwiegend dazu verflucht sind, zu arbeiten und in der Öffentlichkeit aufzutreten, werden Frauen tendenziell eher in den privaten Bereich abgeschoben und dort auf Haushaltsführung und Kindererziehung reduziert. Diese reproduktive Tätigkeit bleibt unbezahlt und ist deshalb auch gesellschaftlich weniger anerkannt. Die erkämpften Verbesserungen, wie Frauenquoten und Recht auf Abtreibung, haben die oben genannten festen Strukturen durchlässiger gemacht, ohne sie jedoch gänzlich zu beseitigen.Dies ist aufgrund der Dynamik des Kapitalismus auch nicht möglich.
Solange Menschen in Geschlechtskategorien eingeteilt werden bilden diese Kategorien die Grundlage für die Herausbildung und Aufrechterhaltung von Machtverhältnissen und Hierarchien. Innerhalb dieser Geschlechterlogik sind Frauen Männern hierarchisch untergeordnet.
Zu dieser Logik der Zweigeschlechtlichkeit gehört die Annahme, dass körperliche Beziehungen vorrangig zwischen Menschen unterschiedlichen Geschlechts stattzufinden haben. Heterosexualität ist als Norm festgeschrieben und gilt als selbstverständlich weil angeblich natürlich. Diese Norm wird vor allem im alltäglichen Handeln aber auch durch Gesetze ständig reproduziert. Menschen die sich hier nicht einordnen wollen oder können, sind immer noch Benachteiligungen ausgesetzt. Konstrukte wie "schwul" und "lesbisch" ermöglichen es auch nur den Menschen, die sich eindeutig auf eine bestimmte Form von Sexualität festgelegt haben, sich positiv auf diese zu beziehen. Menschen mit anderen Vorstellungen werden dadurch ausgeschlossen.
Eine Schlussfolgerung in sich als queer verstehenden Zusammenhängen ist, ganz viele neue Identitäten zu begründen, um die eigenen Bedürfnisse gemeinsam artikulieren und leben zu können. Auch wenn dies ein durchaus hilfreicher Ansatz sein kann, stellen queere TehoretikerInnen die Frage, ob ein positiver Bezug auf Identitäten (hetero, homo, männlich, weiblich, Transgender...) nicht grundsätzlich zu kritisieren ist, da kategoriale Identitäten immer auf einer Ausgrenzung und oft auch einer Abwertung von dem ANDEREN basieren. Queer kann also auch als Versuch gesehen werden, das Prinzip der Zweigeschlechtlichkeit und des Heterozentrismus ohne neue Ausgrenzungen zu bekämpfen. Das finden wir gut.
Den heterosexuellen Konsens bekämpfen!
Kapitalismus abschaffen!
Für die Abschaffung aller gesellschaftlichen Zwangsverhältnisse!
Die BesetzerInnen des ehemaligen Topf & Söhne Geländes