Das der Umgang mit der Geschichte des Nationalsozialismus in Deutschland
oft
mit der Absicht geschieht, Täter und Opfer einander anzugleichen und eine
Verbindung des NS
zur heutigen, angeblich geläuterten deutschen Nation zu verneinen, ließe
sich beispielsweise
anhand der Gedenkfeiern zur Bombardierung Dresdens darstellen.
Es ist jedoch gar nicht notwendig, so weit in die Ferne zu schweifen,
schließlich gibt es auch in
der näheren Umgebung genug Beispiele für diesen Umgang mit der Geschichte.
So wurde beispielsweise bei den Gedenkfeierlichkeiten anlässlich der
Befreiung des Konzentrationslagers in Buchenwald einem ehemaligen Häftling
das Mikrofon abgedreht,
als er auf die Forderung nach Entschädigung für Zwangsarbeiter und
Zwangsarbeiterinnen zu
sprechen kommen wollte.
Ein anderes lokales Beispiel mit besonders widerwärtiger
Geschichtsverdrehung findet sich in der Darstellung der Ereignisse des
Jahres 1945 in der
Stadtchronik von Erfurt-Dittelstedt
.
Hier wird nicht nur konsequent die Perspektive des leider verloren
gegangenen Krieges
eingenommen, beispielsweise mit Aussagen wie "nach dreitägigem Kampf [...]
musste ihnen (den Amerikanern) auch Erfurt übergeben werden", sondern auch
die Ereignisse unmittelbar nach dem Kriegsende in einer Art und Weise
dargestellt, dass mensch nur ungläubig mit dem Kopf schütteln kann. Da ist
die Rede von "ausländischen Fremdarbeitern [...] die ohne Arbeit und
Aufgabe [...] meist raubend, plündernd und stehlend in der Umgegend herum"
zogen.
Es wird gejammert über die von den "Fremdarbeitern" gestohlenen Schafe und
über die "Repressalien der befreiten Fremdarbeiter gegen Einwohner
Dittelstedts".
Nur zur Erinnerung: Die "ausländischen Fremdarbeiter" "ohne Arbeit und
Aufgabe" sind ZwangsarbeiterInnen, die nach Deutschland verschleppt
wurden, um hier jahrelang unter anderem für die Einwohner Dittelstedts zu
schuften.
In der Dittelstedtschen Geschichtsschreibung werden die EinwohnerInnen
Dittelstedts, also die, welche unter anderem jahrelang von den billigen
Zwangsarbeitskräften profitierten, zu den Opfern derer, die nach
Deutschland
verschleppt wurden. Diese Art der Geschichtsschreibung steht beispielhaft,
für die Bestrebungen
das eigene Leid stärker in den Vordergrund zu rücken, auch wenn dabei nur
selten das Schicksal
der eigentlichen Opfer so konsequent ausgeblendet wird wie hier.
Einer der Orte an denen die Beteiligung der normalen deutschen Bevölkerung
am Holocaust am erschreckendsten ins Auge sticht ist das Topf & Söhne
Gelände in Erfurt. Das das Gelände keine Industriebrache, wie viele andere
in Deutschland ist, sondern einer der wenigen expliziten Orte, an denen
das Handeln der
zivilen Täter im Nationalsozialismus deutlich wird, hat sich wohl
mittlerweile
auch bis zur Stadtverordnetenversammlung herumgesprochen.
Auf dem Gelände war seit 1878 die Erfurter Traditionsfirma Topf & Söhne
beheimatet. Während der Zeit des Nationalsozialismus produzierte die Firma
Krematoriumsöfen und Teile der Gaskammertechnik für Konzentrations- und
Vernichtungslager, wie Auschwitz und Buchenwald. Damit lieferte die Firma
eine der technischen Grundlagen, die die Vernichtung von unter anderem 6
Millionen Jüdinnen und Juden erst ermöglichte.
Obwohl die Herstellung der Krematoriumsöfen finanziell nur einen relativ
unbedeutenden Nebenzweig der Produktion von Topf & Söhne darstellte, waren
über 100 Beschäftigte mit der Krematoriumsplanung und -
herstellung beauftragt.
Es waren Ingenieure und Techniker der Firma Topf & Söhne, die
durch selbstvorgenommene Montage, Wartung und Perfektionierung der Anlagen
in den Konzentrationslagern vom Einsatz und der Konsequenz ihres Produktes
genaue Kenntnis hatten. Einzelne Ingenieure bemühten sich teilweise selbst
in ihrer Freizeit darum, die "Effizienz" der Öfen zu verbessern.
Mitarbeiter der Firma inspizierten den Aufbau der Öfen in den Lagern und
übernahmen
auch die Wartung vor Ort.
Es gibt keinerlei Hinweise darauf, dass auf Topf & Söhne Druck ausgeübt
worden wäre, um die Aufträge anzunehmen - ganz im Gegenteil: Die Firma
bemühte sich in klassischem Geschäftsgebaren die Firma Kori aus Berlin
auszustechen um die Aufträge zu erhalten.
Das Verhalten der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Topf & Söhne kann
als symptomatisch für das Verhalten der deutschen Bevölkerung während des
Natinalsozialismus gesehen werden. In Bezug auf den Holocaust waren
Verhaltensweisen wie Tolerierung, stillschweigende Zustimmung und aktive
Beteiligung vorherrschend. Nicht zuletzt profitierte ein Großteil der
Bevölkerung nebenbei auch durch Enteignungen und den billigen Erwerb des
ehemaligen
Eigentums der ermordeten Jüdinnen und Juden am Holocaust.
Ohne die weitreichende Zustimmung und Unterstützung der deutschen
Bevölkerung, wäre ein solch umfassendes Vernichtungsprojekt wie der
Holocaust auch nicht möglich gewesen. Nicht zuletzt anhand dieses Aspekts
ist zu belegen, dass die derzeit populäre Sicht auf den 8.Mai als Tag der
Befreiung der Deutschen falsch ist. Nicht die deutsche Bevölkerung war das
Opfer des Nationalsozialismus, sondern die Millionen ermordeter Jüdinnen
und Juden, Sinti und Roma und andere.
Der Versuch die Deutschen als Opfer darzustellen dient dazu, die Deutschen
in die Reihe der Opfer des Nationalszialismus gleichberechtigt mit
einzureihen oder gar Täter und Opfer zu vertauschen. Zu beobachten ist
dies
zum Beispiel in den Vertriebenendebatten, bei Gedenkfeiern der
bombardierten deutschen Städte und der der derzeitigen Thematisierung des
Leidens der deutschen Bevölkerung während der letzten Kriegstage.
Der Tenor dieser Aussage ist dann: "Es war halt eine schreckliche Zeit und
alle haben sich damals falsch verhalten." Diese Position ist besonders vor
dem Hintergrund des Versuchs, Deutschland wieder zu einer "normalen
Nation" zu machen, abzulehnen. Dem entgegenzusetzen ist eine
Auseinandersetzung damit, wer damals warum zum Täter wurde und welche
Ideologie zu diesem Handeln führte.
Die BesetzerInnen des ehemaligen Topf & Söhne Geländes