Redebeitrag auf der Kundgebung "Wir bleiben alle" am 6.1.2007 in Erfurt


Wie ihr eventuell schon erfahren habt, gerät das ehemalige Topf & Söhne Gelände in Erfurt wieder in den Fokus der Öffentlichkeit, weil das Gelände verkauft werden soll. Die Erfurter Firma Topf & Söhne erlangte traurige Berühmtheit, da sie in der Zeit des Nationalsozialismus Öfen für die Krematorien in Konzentrations- und Vernichtungslagern wie Buchenwald und Auschwitz herstellte. Seit längerer Zeit existiert die Forderung, auf dem ehemaligen Gelände der Firma einen Geschichtsort einzurichten. Dies war auch eine Forderung der Gruppe, die einen Teil des Geländes im April 2001 besetzte, um Räumlichkeiten für ein politisch-sozial-kulturelles Projekt nutzen zu können. Die Stadt Erfurt bemühte sich lange Zeit, die historische Bedeutung des Geländes herunterzuspielen oder ganz und gar zu leugnen und interessierte sich stattdessen nur dafür, die Industriebrache möglichst nicht länger leer stehen zu lassen. Diese Position änderte sich erst im Vorjahr im Zusammenhang mit der öffentlichen Diskussion um die Ausstellung "Techniker der Endlösung". Die Diskussion um die weitere Nutzung des Geländes scheint nun an einem Wendepunkt angekommen. Nach langjährigen Bemühungen kommerzielle Interessen und historische Verantwortung zu vereinbaren, steht ein Verkauf des Geländes unmittelbar bevor. Für uns als Besetzer_innen des Topf & Söhne Geländes bedeutet dies einen tief greifenden Umbruch. Schlimmstenfalls könnte dies das Ende der dort ansässigen vielfältigen Projekte bedeuten.

Die bisherigen Jahre der Besetzung waren von einem wohlwollenden Desinteresse von Seiten des Notverwalters gegenüber der Besetzung geprägt. Auf dieser Grundlage konnten sich auf der ehemaligen Industriebrache verschiedene Projekte und Initiativen verwirklichen. Beispielsweise könnten hier die Präsentation der Ausstellung "Deportation nach Belzyce" der Geschichtswerkstatt Weimar/Apolda e.V. und politische Bildungs- und Diskussionsveranstaltungen seit einiger Zeit im neu eingerichteten Lesecafe genannt werden. Außerdem gibt es auf dem Gelände Bandproberäume und Wohnraum. Die regelmäßig durchgeführten Konzerte und Parties sind gut besuchte Veranstaltungen. Ein wichtiger Teil des Konzepts der Besetzung besteht in der Beschäftigung mit Gesellschaftskritik. In dieses Themengebiet fällt auch die Auseinandersetzung mit der Geschichte des Geländes, die zu Projekten, wie dem virtuellen und realen Rundgang über das Topf & Söhne Gelände, einer Dauerausstellung und regelmäßigen Veranstaltungen zum Thema Geschichtspolitik führte. Die Erkenntnisse aus der Auseinandersetzung mit der Geschichte in die aktuelle Gesellschaftskritik zu integrieren ist dabei eines der zentralen Anliegen.

Die Forderung des "Förderkreises Geschichtsort Topf & Söhne" nach der Eröffnung eines authentischen Geschichtsortes auf dem ehemaligen Topf & Söhne Gelände ist auch seit jeher eine Forderung der Besetzer_innen. Dies ist auch der einzige sich positiv abzeichnende Aspekt des anstehenden Verkaufs des Geländes aus Sicht der Besetzer_innen. Anfang Dezember wurde sich in der Stadtverwaltung auf ein Nutzungskonzept für den Geschichtsort geeinigt. Im ehemaligen Verwaltungsgebäude soll ein Teil des Hauses für die pädagogische Arbeit und für die Ausstellung "Techniker der Endlösung" bereitgestellt werden. Wir bezweifeln allerdings, dass die Stadt Erfurt mit der geplanten Anmietung eines Teils des Verwaltungsgebäudes dem historischen Anspruch gerecht werden kann.

Scheinbar herrschen auch in der Stadt Erfurt noch Unklarheiten und Verwirrung über den geplanten Verkauf und den zukünftigen Umgang mit dem Gelände vor. In den Verlauf der Verkaufsverhandlungen ist bisher nur ein kleiner Personenkreis eingeweiht, deshalb wissen wir und auch andere interessierte Personen nicht, wer das Gelände kaufen möchte und nichts über dessen geplante Nutzung. Diese Ungewissheit ist Anlass zu großer Sorge über die Zukunft dieses Projekts. Für Mitte Januar ist ein Treffen zwischen Mitglieder_innen des Kulturausschusses und den Besetzer_innen des Geländes geplant.
Unsere Forderungen bei diesem Gespräch sind klar: Wir wollen das Hausprojekt in seiner jetzigen Form erhalten und die Forderung des Förderkreises „Geschichtsort Topf & Söhne“ nach einem angemessenen Geschichtsort auf dem Gelände verwirklicht sehen.
Wir bitten euch daher um Unterstützung. Kommt vorbei, informiert euch, unterschreibt die Unterstützungslisten, seht euch den Film an und nehmt euch einen Keks.


Die Besetzer_innen eines Teils des ehemaligen Topf & Söhne Geländes