Drop a bomb on Germany!


Zum 70.Jahrestag des Beginns nationalsozialistischer Herrschaft



In Deutschland herrscht die Auffassung, Geschichte ließe sich aufarbeiten. Die kollektiven Verdrängungsbemühungen der frühen Nachkriegsjahre und der Jahre des Wiederaufbaus hielten der neuen Generation der 60er Jahre nicht stand. Deren anfängliche Frage, wo ihre Eltern zwischen 33 und 45 denn gewesen wären, veränderte sich jedoch in dem Maße von der Anklage zur Familiengeschichte wie diese Generation es schaffte, einen historischen Emanzipationsversuch in der Gründung der Grünen Partei enden zu lassen.

Diese Generation, deren VertreterInnen jetzt in allen gesellschaftlichen Institutionen sitzen, arbeitet an der Geschichte Deutschlands. Sie verarbeiten die Erinnerung an die Verbrechen der Deutschen zur kollektiven Familiengeschichte, wo der Vati immer lieb zu den Polen an der Front gewesen sei, sie verarbeiten sie zu Holocaust-Mahnmalen, sie verarbeiten sie zu Guido- Knopp-Filmen und Zentren gegen Vertreibung. Diese Erinnerungsarbeit schafft einen Mehrwert, der in den Lehren liegt, mit denen die geläuterten Deutschen jetzt, da sie ja aus der Geschichte gelernt hätten, die ganze Welt beglücken wollen.
So begründet Gerhard Schröder seine Opposition gegen einen gewaltsamen Sturz Saddam Husseins durch die USA in seiner Neujahrsansprache mit ebendieser "eigenen Erfahrung":
"Deutschland ist es seiner Geschichte schuldig, die Alternativen zum Krieg zu betonen. Wir Deutsche wissen aus eigener Erfahrung, dass Diktatoren manchmal nur mit Gewalt zu stoppen sind. Wir wissen aber auch, was Bomben, Zerstörung und Verlust der Heimat für die Menschen bedeuten. "
Mit der antiamerikanischen Haltung zum Irakkonflikt gewannen die Sozialdemokraten die letzte Bundestagswahl nur soviel zur Verankerung deutscher Ideologie in der Bevölkerung. Dabei ist die Frage ob Krieg oder Frieden sei, für diese Ideologie gar nicht so wichtig. Wichtig ist, wem es jeweils nützt:
1998 zog Deutschland auch eine seiner Lehren aus der Vergangenheit und glaubte in Jugoslawien ein neues Auschwitz mit Bomben verhindern zu müssen. Damals ganz kriegstreiberisch, wird jetzt bei der anstehenden militärischen Intervention der USA im Irak plötzlich die pazifistisch - beschwichtigende Rolle gespielt..

Ob nun Pazifismus oder Kriegstreiberei, die Lehren die Großdeutschland aus seiner aufgearbeiteten Geschichte zieht zielen immer darauf ab, dass ein Krieg nur dann gerecht ist, wenn er deutsch ist. Ein anderes Register der deutschen Arbeit gegen die Vergangenheit ist die neuentfachte Debatte um das Leid der Deutschen während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Beispielhaft für diesen Diskurs steht schon der geläufige Titel des heutigen Tages: 30. Januar, Tag der Machtergreifung Hitlers. Die Rede von der Machtergreifung impliziert, dass hier etwas gewaltsam geschah und blendet völlig aus, dass Adolf Hitler von einem demokratisch gewählten Repräsentanten des deutschen Volkes zum Reichskanzler ernannt wurde. Die Deutschen stürzten sich also völlig bewusst in die Barbarei, sie mussten nicht erst dazu gezwungen werden der Zwang ins Kollektiv war ihr Wille. Aus deutschen Tätern Opfer zu machen, das ist derzeit die vornehmlichste Aufgabe der großdeutschen Geschichtsaufarbeitung. Der Spiegel bringt am laufenden Bande herzzerreißende Stories über arme deutsche Landser, die völlig gegen ihren Willen in Stalingrad verheizt wurden, als hätte sie der Führer persönlich mit vorgehaltener Knarre in den Ostfeldzug gezwungen. DeutschlandRadio Berlin springt auf den Stalingrad-Zug auf und produziert eine Sendereihe aus deutschen Feldpostbriefen. Wenn schon die deutschen Soldaten Opfer sind, ist der Weg zu den Vertriebenverbänden nicht weit. Diese inszenieren sich nun schon seit über 50 Jahren als die größten Opfer des Zweiten Weltkriegs. Die scheinheilige Großmütigkeit, mit der sie in ihrer Charta der deutschen Heimatvertriebenen postulieren, auf Rache und Vergeltung zu verzichten, spottet jeder Beschreibung.
Die geschichtsrevisionistischen Thesen des BDV stießen im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung wieder auf großes öffentliches Interesse. Soldaten, Vertriebene, nicht zuletzt die innerfamiliär überlieferten Geschichten über die Entbehrungen der Kriegsjahre meist das Einzige was überhaupt überliefert wird irgendwie wollen alle Deutschen nur Opfer einer ominösen Macht der Nationalsozialisten gewesen sein. Die Nazis, das waren die SS, die NSDAP-Führung, und ja, wer eigentlich noch? Die normalen Deutschen, die sich um arisierte Güter rissen, ihre Nachbarn denunzierten und ihrem Führer frenetisch zujubelten anscheinend nicht. Dass die Realität jedoch nicht so ist, wie sie sich die Deutschen zurechtlügen, zeigen Orte wie z.B. das besetzte Gelände der Firma Topf & Söhne in Erfurt. Hier stellten die ganz normalen Deutschen die Leichenverbrennungsöfen her, wie sie auch in Buchenwald und Auschwitz eingesetzt wurden. Hier arbeiteten die normalen Deutschen wissentlich und geflissentlich an der Vernichtung des europäischen Judentums mit. Hier waren sich die normalen Deutschen der Konsequenz ihrer Taten voll bewusst und erledigten ihren Auftrag ohne einen Anflug von Skrupel. An solch einem Ort, am Beispiel der Firma Topf & Söhne, wird offensichtlich dass die Nazis keine ominöse Macht waren, die die Deutschen mit Gewalt beherrscht hätte. Sie, die Deutschen selbst, waren die Täter. Von dieser Version der Geschichte aber will die Stadt Erfurt nichts wissen. Topf & Söhne ist vergessen, das ehemalige Firmengelände liegt brach und ist zur Erschließung freigegeben. Der Titel des heutigen Mahngangs ist "Nur wer aus der Geschichte lernt, kann die Zukunft gestalten". Die deutsche Art, mit der eigenen Geschichte umzugehen, zeigt, dass hier nichts gelernt wurde. Der zivilisatorische Bruch Auschwitz hat nicht dazu geführt, dass die Grundlagen einer Gesellschaft, die dieses Verbrechen möglich gemacht hat überdacht wurden. Noch immer bringt das gesellschaftliche Verhältnis Kapital und Nation in großem Maße Antisemitismus und völkisches Gedankengut hervor. Theodor W. Adorno formulierte einmal sinngemäß den Satz: "Bewältigt wäre die Vergangenheit erst dann, wenn ihre Ursachen beseitigt sind." In diesem Sinne:

Deutschland verrecke!

Die BesetzerInnen des ehemaligen Topf & Söhne Geländes


Anmerkung:

Auf dem Vorbereitungstreffen ist aufgefallen, dass fast nur Männer auf dieser Demo sprechen werden, deshalb wurden wir gebeten, eine Frau als Rednerin zu stellen. Diese Bitte hat bei uns Diskussionen ausgelöst, inwiefern in unserem politischen Zusammenhang patriarchale Strukturen bestehen und ob Quotierung eine sinnvolle Strategie ist, um dem entgegenzuwirken. Auch bei uns ist das Verhältnis zwischen Männern und Frauen schon zahlenmäßig - ein ungleiches. Letzten Endes haben wir uns dafür entschieden, diesen Redebeitrag von einer Frau halten zu lassen, um dem gesellschaftlichen Verhältnis, das Frauen Intellektualität und Raum zur Darstellung nimmt, etwas entgegenzusetzen. Unzufrieden sind wir mit dieser Lösung dahingehend, da sie Geschlechteridentitäten reproduziert und eine Verzerrung des tatsächlichen Zustandes darstellt. Das Zwangsverhältnis "Geschlecht" selbst muss dekonstruiert und abgeschafft werden, um zu einem herrschaftsfreien Miteinander zu kommen.