Am 20.April 2000 versuchten einige jugendliche Nazis die neue Synagoge in Erfurt anzuzünden. Der Anschlag schlug glücklicherweise fehl, die Täter wurden gefasst und teilweise zu Haftstrafen verurteilt. Schon kurz nach dem Anschlag wurden von verschieden Leuten und einige Tage später eine Menschenkette, die den Schutz der Synagoge symbolisieren sollte, um das Gebäude gezogen. Die Thüringer Allgemeine titelte "Brandgeschoss gegen die Synagoge - Erfurter bekunden Entsetzen und Scham" und der Bundestag verurteilte den Anschlag.
Im Jahr 2002 hat sich die Situation erheblich verschlechtert. In vielen Ländern werden Synagogen angezündet, vermeintliche Jüdinnen angegriffen und Demonstrationen gegen Israel organisiert. An den Demonstrationen beteiligen sich Menschen aus den verschiedensten politischen Strömungen und gesellschaftlichen Richtungen. Da laufen vermeintliche Linke zusammen mit den faschistischen Grauen Wölfen aus der Türkei, GegnerInnen des Jugoslawieneinsatzes zusammen mit AktivistInnen der UCK und Friedensbewegte mit kleinen Kindem, die Sprengstoffgürtelattrappen um den Bauch tragen. Was sie eint ist die uneingeschränkte Solidarität mit dem "palästinensischen Befreiungskampf" und die nicht erfolgte Distanzierung der vermeintlichen Linken vom, von der Intifada propagierten, Hass auf Israel. Der Antisemitismus, der sich manchmal auch hinter dem Deckmantel des Antizionismus äussert, der am 20.April 2000 als Ideologie von ein paar jungen dummen Neonazis dargestellt wurde, nimmt im Jahr 2002 immer bedrohlichere Ausmaße an, die nicht mehr auf eine gesellschaftliche Randgruppe reduziert werden können. Es ist mittlerweile möglich, offen und unverhohlen über einen UN-Einsatz in Israel, an dem auch die Bundeswehr beteiligt sein wird, zu diskutieren. Die Zeitungen quellen über vor einseitigen Schuldzuweisungen an die israelische Regierung. Besonders deutlich wird die Brisanz des Einsatzes gerade dam, wenn man Äusserungen verschiedener Politiker in den Medien hört oder liest. So die Entwicklungshilfeministerin Wieczorek-Zeul SPD, die da meint "aus historischen Gründen konnten die Deutschen im Nahen Osten keine aktive Rolle spielen" habe sie "immer schon für falsch gehalten". Weiter der palästinensische Generaldelegierte in Deutschland Franyi der sich begeistert zeigte und meinte: "Dieser Vorschlag ist in der Geschichte Deutschlands einmalig." Der Staat Israel ist derzeitig der einzige Schutz für Jüdinnen und Juden weltweit, eine Linke, die sich dessen bewusst ist, muss sich für eine pragmatische Verteidigung des Staates Israel entscheiden. Auch wenn Israel als ein bürgerlicher Staat für die in ihm lebenden Menschen ohne Frage eine Zumutung darstellt, ist er der Alternative (der Zerschlagung Israels) vorzuziehen. Die abgewandelte Forderung "Am längsten lebe Israel" bedeutet nicht, dass Israel In allen Fällen vor Kritik verschont bleiben muss. Sie beinhaltet unserer Ablehnung von Nationalstaaten, den Staat Israel eingeschlossen, betont jedoch dessen Besonderheit, einen grösstmöglichen Schutz für Jüdinnen und Juden zu bieten. Der Staat Israel kann erst abgeschafft werden, wenn der Kapitalismus und die anderen Nationalstaaten abgeschafft sind - solange jedoch muss er verteidigt werden.
Die Nazis, die am 20.April in Weimar auf marschieren wollen, spielen in dieser Gesellschaft eine eher marginale Rolle. Jedoch formulieren sie Positionen, die auch in der gesamten Gesellschaft vorhanden sind. Radikale Kritik muss daher an den gesellschaftlichen Ursachen ansetzen und diese bekämpfen. Die Linke muss sich daher gleichzeitig gegen kapitalistische Verhältnisse sowie die verkürzte Kritik an ihnen richten. Wenn die Nazis am Hitlergeburtstag in Weimar aufmarschieren werden fordern wir alle auf, entschlossenen Widerstand entgegenzusetzen. Auf der Strasse Richtung Buchenwald, auf der die Nazis auch langmarschieren wollen, muss ihnen die Zeile aus dem Schwur von Buchenwald: "Die Vernichtung des Faschismus mit all seinen Wurzeln ist unser Ziel!" deutlich gemacht werden.