In der besetzten Industriebrache wirtschaftete von 1878 bis 1948
die Firma Topf & Söhne. Diese Firma stellte während des
Nationalsozialismus in Deutschland Krematorien sowie Teile von Gaskammern
für Konzentrations- und Vernichtungslager her. Desweiteren gehört ein
Teil des besetzten Geländes der Firma Linse, die die Aufzüge produzierte, die zum Transport der Leichen von den Gaskammern zu den Verbrennungsöfen eingesetzt wurden.
Die Firma J. A. Topf & Söhne wurde im Jahre 1878 in Erfurt durch J. A.
Topf gegründet, der an der Verbesserung industrieller Feuerungen
arbeitete. Seine beiden Söhne Ludwig und Ernst-Wolfgang übernahmen 1935
gemeinsam die Leitung der Firma.
Zu den Haupttätigkeitsfeldern der Firma gehörten neben dem Bau von
industriellen Feuerungsanlagen komplette Mälzereien und Brauereimaschinen,
sowie Siloanlagen, Schornsteinbau und Einbauten wie gasdichte Türen und
Fenster. Besondere Erfolge errang die Firma im Ersten Weltkrieg mit ihrer
speziell entwickelten Hochleistungs-Feuerung, die eine äußerst
wirtschaftliche Verbrennung von Braunkohle erlaubte. Schon recht früh
gehörte mit einer kleinen Abteilung auch die Entwicklung und Fertigung von
Krematoriumsöfen zur Produktpalette. Während die Firma auf dem Gebiet der
Brauerei- und Mälzereianlagen bis in die 40er Jahre hinein weltweit eine
Spitzenposition einnahm, blieb die Herstellung von Krematoriumsöfen ein
Randgeschäft.
Topf & Söhne war aber auch auf diesem Gebiet technischer Vorreiter und
arbeitete laufend an der Verbesserung der Einäscherungstechnik. Die
Feuerbestattung war erst Ende des 19. Jahrhunderts wieder verstärkt
aufgekommen und hatte seit den 20er Jahren eine beachtliche Verbreitung
gefunden, insbesondere in den skandinavischen Ländern aber zunehmend auch
auf dem mitteleuropäischen Kontinent. Ab den 20er und 30er Jahren
belieferte Topf & Söhne städtische Krematorien in ganz Deutschland und in
aller Welt. Noch 1945! wurde ein Einäscherungsofen in die USA
ausgeliefert.
In der Firma gab es bis in die 40er Jahre ein Umfeld für innovative
Entwicklungen mit einer hohen Zahl von angemeldeten Patenten in allen
Geschäftsbereichen. Die Organisation war solide, die Führung war jung, und
die Firma meisterte die Kriegsjahre, obwohl sie mehrere Liquiditätskrisen
zu überstehen hatte. In diesen Jahren beschäftigte Topf & Söhne über 100
Spezial-Ingenieure und Techniker und fertigte über 7000 Anlagen in aller
Welt, die vor Ort montiert und optimiert wurden.
In den 40er Jahren entschloß sich Topf & Söhne auch zur Zusammenarbeit mit
der SS. Das Unternehmen fertigte Entlüftungsanlagen für die Gaskammern in
Auschwitz und entwickelte große leistungsfähige Krematoriumsöfen für
Auschwitz, Buchenwald, Dachau und andere Konzentrationslager der
Deutschen. Dabei zeigt der Umsatzanteil aus den Krematoriengeschäften von
weniger als drei Prozent, daß diese Aufträge für das Unternehmen
keineswegs überlebenswichtig waren. Es ist auch nichts darüber bekannt,
dass auf die Firma Druck "von oben" ausgeübt oder sie gar zur Annahme der
Aufträge gezwungen worden wäre, im Gegenteil: In klassischem
Geschäftsgebaren versuchte man, die Konkurrenzfirma Kori aus Berlin
auszustechen. Die Unternehmer nutzten jede "Chance", die sich ihnen bei
der Vergabe von Staatsaufträgen bot. Dabei wußten die Mitarbeiter der
Firma, was sie taten. Alle Anlagen wurden von hauseigenen Ingenieuren in
den Lagern vor Ort installiert und repariert. Aus Eigeninitiative
entwickelte Ingenieur Kurt Prüfer sogar Vorschläge zur Verbesserung der
Tötungsmechanik. Es kann als sicher gelten, daß auch die Mitarbeiter in
der Firma spätestens seit Januar 1943 vom Zweck der Aufträge wußten. Von
einem Einverständnis der Verantwortlichen mit den Zielen der
Reichsregierung ist auszugehen.
Nach dem 2. Weltkrieg wurden die hauptverantwortlichen Ingenieure und
Firmenmitarbeiter bei Topf & Söhne von den sowjetischen Offizieren
verhaftet und verurteilt. Ludwig Topf entzog sich seiner Verhaftung durch
Selbsttötung. Ernst-Wolfgang Topf setzte sich nach Wiesbaden ab und
gründete 1951 die Firma neu, die aber nur 12 Jahre später wieder aufgelöst
wurde. In Erfurt konnte die Firma 1948 nach der Enteignung durch die
sowjetische Besatzungsmacht zunächst unter dem Namen "Nagema Topfwerke
Erfurt VEB" ihre Tätigkeit mit einem etwas eingeschränkten Angebot
fortsetzen. (Das Krematoriumsgeschäft wurde nach Zwickau verlagert.) [...]
Die Besetzer(innen) haben mit ihrer Aktion nicht nur darauf aufmerksam
gemacht, dass diese Industriebrachen in Erfurt liegen, sondern auch eine
erhebliche Verantwortung auf sich genommen. Der Ort erfordert eine
Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus und Antisemitismus, mit
deutscher Arbeit und Pflichterfüllung. Die meisten Besetzer(innen) waren
bereits vorher in antifaschistischen, antirassistischen und linken
Initiativen aktiv. In den ersten Wochen fanden daher auch schon
vielfältige antifaschistische Veranstaltungen wie Vorträge, Filmabende und
Diskussionsrunden statt. Ebenso gingen vom besetzen Haus antifaschistische
Aktionen wie die Mobilisierung gegen einen geplanten Naziaufmarsch und die
Erinnerung an den Brandanschlag auf die Erfurter Synagoge aus.
Ebenso fanden unkommerzielle Konzerte und Partys statt. Veranstaltungen
also bei denen nicht der mögliche Profit zählt, sondern der Spaß an der
Sache. Das Gelände hat sich zu einem Anlaufpunkt für alternative Szenen
entwickelt und setzt auch dadurch ein Zeichen gegen die ordentliche
deutsche Normalität.
Das soll ausgebaut werden, genauso wie das Haus. Geplant sind in Zukunft
ein regelmäßiges Café, eine Suppenküche sowie Proberäume für Musikgruppen.